Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Gemeinschaftsordnung u.U. noch vor Zustandekommen einer nach § 3 WEG zu bildenden Wohnungseigentümergemeinschaft anwendbar
- Mögliche Nachteils(aus)wirkungen durch den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage?
Normenkette
(§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG; §§ 744 Abs. 1, 1004 BGB; § 22 Bundesimmissions-Schutzgesetz)
Kommentar
1. Ist eine nach § 3 WEG zu bildende Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht zustande gekommen, kann es dennoch im Einzelfall gerechtfertigt sein, die für die spätere Wohnungseigentümergemeinschaft geschaffene Gemeinschaftsordnung als vertragliche Gebrauchsregelung des Miteigentums für das Verhältnis der Miteigentümer untereinander heranzuziehen.
Grundsätzlich sind die materiell-rechtlichen Vorschriften des WEG für das Verhältnis der Beteiligten untereinander nicht anwendbar, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft mangels Eintragung im Grundbuch noch nicht entstanden ist (vgl. § 3 WEG i.V.m. § 4 WEG) und bei Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich nicht entsteht. Vorliegend hat auch eine Sicherung der künftigen Wohnungseigentümer durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch offensichtlich nicht stattgefunden.
2. Allerdings schließt dies nicht aus, auf die bestehende Bruchteilsgemeinschaft (§§ 1008 ff. BGB) die Vorschriften aus dem WEG insoweit analog heranzuziehen (vgl. auch Merle in Bärmann/Pick/Merle, § 3 Rn. 84), als die Beteiligten sie zur Regelung von Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands vereinbart haben (§ 744 Abs. 1 BGB). Die erst für den Fall der Begründung von Wohnungseigentum geschaffene Gemeinschaftsordnung (§ 10 Abs. 2 WEG) kann freilich nicht unmittelbar Anwendung finden. Insoweit kann von einer konkludenten Vereinbarung kraft Auslegung(§§ 133, 157 BGB) ausgegangen werden, schon jetzt vorhandenes Miteigentum rechtlich wie Wohnungs- oder Teileigentum zu behandeln und gegenseitige Mitwirkungs- und Abwehrrechte der Beteiligten so zu gestalten, wie es künftig in der Wohnungseigentümergemeinschaft geschehen soll (vgl. auch OLG Celle, MDR 1998, 397; OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, 1098; Münchner Kommentar/Carsten Schmitt, BGB, 3. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 13).
3. Aus der Freistellung des Wohnungseigentümers von der Zustimmungspflicht anderer Wohnungseigentümer bei baulichen Veränderungen kraft Gemeinschaftsordnungsvereinbarung (etwa für Reklameeinrichtungen und Antennen) ergibt sich nicht ohne weiteres, dass damit auch ein Unterlassungsanspruch wegen möglicher schädlicher Auswirkungen beim Betrieb einer montierten Antenne (hier: Mobilfunksendeanlage) ausgeschlossen sein soll. Antragsgegner müssen hier nicht eine errichtete Mobilfunksendeanlage dulden. Nachteilswirkungen sind hier neuerlich noch vom LG als Tatsacheninstanzgericht zu überprüfen. Unter einem Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen, die nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist; eine erhebliche Beeinträchtigung oder gar Gefährdung ist nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben, wie sich dies schon aus § 242 BGB ergibt, außer Betracht. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob etwa in einer Gemeinschaftsordnung Vorschriften über bauliche Veränderungen abbedungen wurden.
4. Die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Dach oder am Kamin einer Wohnanlage ist eine grundsätzlich zustimmungspflichtige bauliche Veränderung. Darf diese ein Wohnungseigentümer nach Gemeinschaftsordnung ohne Zustimmung anderer beeinträchtigter Wohnungseigentümer vornehmen, ist die Begründetheit eines Beseitigungsverlangens regelmäßig nur nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zu messen (BayObLG, ZMR 2001, 363 und 472). Vorliegend bezweckte die Vereinbarungsklausel, die (künftigen) Wohnungseigentümer innerhalb ihres ausschließlich zugewiesenen räumlichen Bereichs weitgehend wie Alleineigentümer zu behandeln und andere Wohnungseigentümer von der Mitwirkung an der gemeinsamen Verwaltung auszuschließen.
Die Freistellung baulicher Veränderungen von der Zustimmungspflicht des beeinträchtigten Wohnungseigentümers erfasst jedoch nicht zwingend einen Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB hinsichtlich solcher Beeinträchtigungen, die nicht auf der baulichen Veränderung selbst, sondern auf deren Auswirkungen beim Betrieb, etwa in Form von Immissionen, beruhen. Freilich versteht die herrschende Rechtsprechung als Nachteile bei baulichen Veränderungen auch lästige Immissionen. Insoweit bedarf der hier in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Ausschluss des Zustimmungserfordernisses der Auslegung, ob damit auch solche Nachteile mitumfasst sind, welche objektiv geeignet sind, die Gesundheit eines Wohnungseigentümers zu beeinträchtigen. Dabei sind Beeinträchtigungen als unzumutbar zu werten, die objektiv geeignet sind, in die körperliche Unversehrtheit des anderen Raumeigentümers einzugreifen.
Führt eine weitere Bewe...