Zusammenfassung
Zahlungen aus dem Schuldnervermögen können auch vom Insolvenzverwalter angefochten werden, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung Dritter mit der insolventen Gesellschaft besteht. Nur wenn durch die Gesamtschuldner sämtliche Verbindlichkeiten der insolventen Gesellschaft bedient werden könnten, läge keine Gläubigerbenachteiligung vor.
Hintergrund
Durch Abspaltung von der später insolventen Gesellschaft wurde eine neue GmbH gegründet, auf die zwar fast sämtliche Aktiva - nicht dagegen die Passiva - der später insolventen Gesellschaft übertragen wurden. Diese musste Insolvenzantrag stellen, nachdem das Finanzamt die Zahlung von Steuern auf Gewinne verlangte, die aus der Auflösung von Rücklagen resultierten.
Der vom Insolvenzverwalter verklagte Beklagte war Mehrheitsgesellschafter einer Gesellschaft, die die insolvente Gesellschaft bei der Abspaltung beraten hatte. Schon vor der Abspaltung hatte die später insolvente Gesellschaft mit dem Beklagten eine stille Gesellschaft gegründet und für ihre Beteiligung als stille Gesellschafterin zwei Zahlungen von insgesamt 165.000 EUR an den Beklagten geleistet.
Der Kläger verlangt im Wege der insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung vom Beklagten die Rückzahlung, weil der Vertrag über die stille Beteiligung nur zum Schein und in dem Wissen, dass die insolvente Gesellschaft ihre Steuerverbindlichkeiten nicht würde begleichen können, erfolgt sei. Auch sei durch die Abspaltung der Aktiva zusammen mit der Zahlung der Plan erkennbar gewesen, die später insolvente Gesellschaft mit den Verbindlichkeiten zu belasten und in die Insolvenz zu schicken. Dadurch seien die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligt worden.
Das Berufungsgericht verneinte eine Gläubigerbenachteiligung und damit die Anfechtbarkeit der Zahlungen. Es sei nicht dargelegt, dass die angefochtenen Zahlungen zu einer Benachteiligung der Gläubiger geführt hätten. Eine Benachteiligung der Gläubiger könne auch mit der späteren Abspaltung nicht begründet werden, weil die abgespaltene Gesellschaft für Altverbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers gesamtschuldnerisch hafte (§ 133 UmwG).
Das Urteil des BGH vom 17.10.2019, Az. IX ZR 215/16
Die vom klagenden Insolvenzverwalter eingelegte Revision hatte Erfolg. Eine Gläubigerbenachteiligung liege vor, wenn die angefochtene Handlung entweder die Passiva vermehrt oder die Aktiva der insolventen Gesellschaft verkürzt habe. Dafür ist nach dem BGH eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich.
Die Zahlungen verkürzten vorliegend die Aktiva der insolventen Gesellschaft. Ob mit der im zeitlichen Zusammenhang mit den angefochtenen Zahlungen erfolgten Abspaltung die Insolvenzgläubiger benachteiligt worden seien, sei unerheblich. Die an den Beklagten geleisteten Zahlungen wäre nur dann nicht anfechtbar, wenn die Insolvenzmasse im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der abgespaltenen Gesellschaft nach § 133 UmwG für eine vollständige Befriedigung sämtlicher Gläubiger ausreichen würde. Denn dann hätte schon keine Benachteiligung der Gläubiger vorgelegen.
Das Urteil ist überzeugend. Die Regelungen der Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO verfolgen den Zweck, dass die Insolvenzgläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens gleichmäßig befriedigt werden. Kurzfristige sowie absichtliche Vermögensverschiebungen u.a. an nahestehende Personen oder Gesellschafter, ein Ungleichgewicht des Leistungsaustausches sowie das zeitliche Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung in der Krise einer Gesellschaft sind insolvenzrechtlich problematisch. Bei einem Leistungsaustausch in der Krise können allerdings die strengen insolvenzrechtlichen Vorgaben des sogenannten "Bargeschäfts" i.S.v. § 142 InsO den Parteien helfen, eine Anfechtung zu vermeiden. Geschäftspartner einer insolventen Gesellschaft sollten daher sorgfältig prüfen, wie sie Zahlungen an sich einerseits gegen eine Insolvenz absichern, andererseits aber für den Insolvenzfall auch anfechtungsfest ausgestalten können.