Peter Depré, Günter Mayer
I. Ablehnung des Antrags
1. Die Entscheidung
Rz. 60
Der Eingang des Antrags beim Gericht wahrt weder Fristen noch einen Rang. Daher ist das Vollstreckungsgericht nicht gehalten, die strengen Regeln zu beachten, welche für das Grundbuchamt gelten. Bei Antragsmängeln sollte also wie folgt verfahren werden:
Hat der Gläubiger Angaben unterlassen oder nur vergessen, offenbar vorhandene Unterlagen beizufügen, soll er – am besten telefonisch – auf den Mangel hingewiesen und aufgefordert werden, ihn zu beseitigen. Dies gilt auch, wenn eine Begründung fehlt, welche das Gericht im Einzelfall für erforderlich hält (siehe z.B. § 1 Rn 30).
Ist zwischen Zustellung des Titels und Vollstreckungsbeginn eine Wartefrist einzuhalten und ist diese um einige Tage noch nicht abgelaufen, kann der Antrag – nach telefonischer Verständigung des Gläubigers – bis zum Fristablauf liegen bleiben.
Rz. 61
Wird in den vorgenannten Fällen allerdings ein anderer ordnungsgemäßer Antrag gestellt, ist diesem sofort stattzugeben. Eine Rangwahrung in irgendeiner Weise für den früher eingegangenen, aber unvollständigen Antrag ist nicht vorgesehen.
Rz. 62
Liegen jedoch die Voraussetzungen zu Beginn der Zwangsvollstreckung noch nicht vor und müssen erst noch geschaffen werden, sollte keine "Zwischenverfügung" (= Aufklärungsverfügung) mit Fristsetzung erfolgen. Wer eine Vollstreckung beginnt, ohne dass deren Voraussetzungen vorliegen, kann keinen Aufschub erwarten, bis er die Voraussetzungen geschaffen hat und die nötigen Unterlagen vorlegen kann. Immerhin kann im Falle einer Verfügung des Schuldners über das Grundstück der gutgläubige Erwerb daran scheitern, dass der Erwerber den Antrag auf Zwangsverwaltung – welcher eigentlich hätte zurückgewiesen werden müssen – kannte (§ 23 Abs. 2 ZVG) und durch dessen Zurückweisung der Erwerber wieder "gutgläubig" würde. Hier ist es sachgemäß, dem Gläubiger nahe zu legen, angesichts der drohenden Zurückweisung den Antrag (kostenfrei) zurückzunehmen und neu zu stellen, sobald die Voraussetzungen vorliegen.
Rz. 63
Kann der Gläubiger das Hindernis nicht überwinden, ist der Antrag zurückzuweisen. Eine "Zwischenverfügung", welche nur durch Antragsrücknahme erledigt werden kann, ist unzulässig. Es ist allerdings nicht verboten, dem Gläubiger unter formlosem Hinweis auf den Mangel Gelegenheit zur Antragsrücknahme zu geben.
2. Mängel
Rz. 64
Zur Zurückweisung führen insbesondere folgende Mängel:
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Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen nicht vor und der Mangel kann nicht unverzüglich behoben werden. Kann der Mangel wahrscheinlich rasch behoben werden (z.B. fehlende Vollmacht, Anschrift des Schuldners unvollständig, Forderung nicht genügend aufgeschlüsselt), wäre eine Aufklärungsverfügung mit Fristsetzung angebracht und erst nach deren fruchtlosem Ablauf auf Zurückweisung zu entscheiden. Selbstverständlich kann die Entscheidung auch auf teilweise Zurückweisung (z.B. wegen nicht erstattungsfähiger Kosten) lauten. |
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Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen noch nicht vor und müssen erst noch beschafft werden. |
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Der Schuldner ist nicht (oder nicht mehr) als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, ohne dass ausnahmsweise (siehe § 1 Rn 32 bis 35) eine Vollstreckung zulässig wäre. |
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Über das Vermögen des Schuldners ist das Insolvenzverfahren eröffnet (siehe dazu ausführlich § 3 Rn 992 ff.). |
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Der vorgelegte Titel reicht nicht aus, um die geforderte Zwangsvollstreckung vorzunehmen. Dazu besonders: Tod des Schuldners (siehe § 1 Rn 21 bis 29) und Gütergemeinschaft (siehe § 1 Rn 30). |
II. Hindernisse für die Anordnung
1. Nießbrauch, Leibgeding, Altenteil, Wohnungsrecht
Rz. 65
Im Grundbuch eingetragene Rechte, welche dem Berechtigten gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz gewähren, können dazu führen, dass die Zwangsverwaltung nur beschränkt angeordnet werden darf. In Betracht kommen insbesondere ein Nießbrauch, ein Leibgeding (Altenteil) oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht).
Rz. 66
Der BGH hat den bisherigen Streit dahingehend entschieden, dass auch ein dinglicher Gläubiger, dessen Recht einen besseren Rang als das Nießbrauchsrecht hat, bereits zur Anordnung der Zwangsverwaltung einen Titel gegen den Nießbraucher benötigt, den er sich regelmäßig durch Umschreibung der Vollstreckungsklausel beschaffen kann. Ist dies ausnahmsweise nicht möglich und stimmt der Nießbraucher der Zwangsverwaltung auch nicht zu, ist eine Duldungsklage erforderlich. Ohne einen solchen Titel kann er trotz des besseren Grundbuchranges nur eine "beschränkte Zwangsverwaltung" (siehe § 1 Rn 70) erreichen. Hat er allerdings einen solchen Titel, kann er die Rechte des Nießbrauchers ausüben und diesen aus dem Besitz setzen. Der Nießbraucher ist nicht "Eigentümer". Er hat keinen Anspruch auf eine mietfreie "Schuldnerwohnung". Der Zwangsverwalter kann dann auch jene Mieten einziehen, welche aufgrund eines Vertrages zu zahlen sind, den der Nießbraucher im Rahmen seines Rechts abgeschlossen hat.
Rz. 67
Handelt es sich nur um ein Wohnungsrecht oder Leibgeding, wird der besserrangige Gläubiger prüfen, ob er den Berechtigten aus dem Besitz setzen will...