Peter Depré, Günter Mayer
1. Rechtsgedanke
Rz. 124
Sollen landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Grundstücke unter Zwangsverwaltung gestellt werden, benötigt man in erster Linie eine Person, welche tatsächlich die dort anfallende Bewirtschaftung – also persönliche Arbeitsleistungen – vollbringt, und dazu wird kaum eine andere Person so kostengünstig bereit sein wie der Schuldner. Deshalb kann er in diesem Fall ausnahmsweise zum Zwangsverwalter bestellt werden (§ 150b ZVG). Aus dieser Vorgabe ergibt sich (ohne besonderen Ausspruch im ZVG), dass § 150b ZVG nicht anzuwenden ist, wenn der fragliche Grundbesitz verpachtet ist. Diese Regelung hat nur geringe praktische Bedeutung erlangt und bedarf daher nur einer kurzen Darstellung.
2. Voraussetzungen
Rz. 125
Als Zwangsverwalter kann der Schuldner nur für nicht verpachtete Grundstücke der vorgenannten Nutzungsart bestellt werden, wenn
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er zur Annahme des Amtes bereit ist (er kann nicht gezwungen werden!) und |
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"nach Lage der Verhältnisse" eine ordnungsgemäße Führung der Verwaltung durch ihn zu erwarten ist (§ 150b Abs. 1 ZVG). |
Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht den Schuldner zum Verwalter bestellen. Selbst eine Institutsverwaltung hat keinen Vorrang (§ 150b Abs. 3 ZVG).
Rz. 126
Hat der Schuldner zuletzt die fraglichen Grundstücke nicht mehr ordnungsgemäß genutzt und könnten sie ohne weiteres verpachtet werden, wäre an sich eine Verpachtung sinnvoller. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes muss aber auch hier der Schuldner bestellt werden. Allerdings wird man in diesem Fall sehr eingehend zu prüfen haben, ob die oben zweitgenannte Voraussetzung vorliegt!
3. Verfahren
Rz. 127
Vor der Anordnung sind zu hören:
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der Gläubiger, |
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die am Verfahren (§ 9 ZVG) beteiligten Institute des § 150a ZVG und |
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die "untere Verwaltungsbehörde", also allgemein das Landratsamt, die Kreisverwaltung oder die nach Landesrecht entsprechende Behörde. Diese ist nicht "beteiligt" i.S.d. § 9 ZVG; ihre Äußerung hat gutachterlichen Charakter. |
Rz. 128
Vor der Anordnung nicht zu hören ist der Schuldner. Er könnte sonst auch in diesem Verfahren die Beschlagnahme durch eine wirksame Verfügung unterlaufen (siehe § 1 Rn 79). Hat nicht schon der Gläubiger vor seinem Antrag Einvernehmen mit dem Schuldner hergestellt und dessen Einverständnis mit der Bestellung dem Antrag beigefügt, bleibt dem Vollstreckungsgericht nichts anderes übrig, als zunächst die Zwangsverwaltung ohne Verwalter anzuordnen und erst dann den Schuldner zu hören. Damit ergeben sich zwischen Antragstellung und Verwalterbestellung Zeiträume, welche durch kurze Fristsetzung nur unzulänglich zu verkürzen sind. Ob das Gericht nach Anordnung der Verwaltung auf Gläubigerantrag Maßnahmen nach § 25 ZVG beschließt oder gar einen vorläufigen Verwalter "mit Entlassungsvorbehalt" bestellt, muss im Einzelfall entschieden werden. Es wäre daran zu denken, eine bereits in Aussicht genommene "Aufsichtsperson" (siehe § 1 Rn 129) zum vorläufigen Verwalter zu bestellen, wenn diese auch bei Ausfall des Schuldners Zwangsverwalter bleiben will.
4. Aufsichtsperson
Rz. 129
Dem Schuldner als Zwangsverwalter ist eine Aufsichtsperson (§ 150c ZVG) zu bestellen, unter deren Aufsicht die Verwaltung geführt wird. Der Schuldner ist ihr über alle Vorgänge Rechenschaft schuldig. Geschäfte, die über die laufende Wirtschaftsführung hinausgehen (z.B. Kauf einer zusätzlichen Kuh), bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsperson (§ 150c Abs. 4 ZVG letzter Satz mit § 150d ZVG). Andererseits hat die Aufsichtsperson kein Weisungsrecht gegenüber dem Schuldner. Entstehende Probleme hat sie dem Gericht mitzuteilen, welches seinerseits dem Schuldner-Verwalter Weisungen erteilt oder ihn notfalls entlässt.
Rz. 130
Obwohl das ZVG keine Vergütung der Aufsichtsperson vorsieht (offenbar von heute kaum noch vorhandenen altruistischen Menschen ausgehend), wird heute überwiegend angenommen, dass sie Anspruch auf eine solche in entsprechender Anwendung der für den Verwalter vorgesehenen Normen hat.
5. Tätigkeit des Schuldners
Rz. 131
Der Schuldner ist verantwortlich für die Bestellung des Grundbesitzes. Er darf zwar ernten, aber die geernteten Früchte nur mit Zustimmung der Aufsichtsperson veräußern (§ 150d ZVG). Auf den Grundbesitz bezogene Ansprüche gegen Dritte auf Geld- oder Sachleistungen (also z.B. die Pacht für eine verpachtete Teilfläche) darf er ohne Zustimmung der Aufsichtsperson einziehen.
Rz. 132
Aus den Nutzungen hat er – ebenfalls ohne Zustimmung der Aufsichtsperson – zu bestreiten:
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seinen und seiner Familie Unterhalt ("notwendige Bedürfnisse"), dessen Umfang das Gericht nach Anhörung der Aufsichtsperson festsetzt. In Betracht kommen geerntete Naturalien oder auch Geld aus den Einnahmen der Verwaltung. Eine Entschädigung für seine Mühe erhält er nicht (§ 150e ZVG). Somit kommt keine Zahlung an ihn aus einem Gläubiger-Vorschuss in Betracht! Vergleiche dazu § 149 Abs. 3 ZVG (siehe auch § 1 Rn 261); |
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die tatsächlichen Kosten der Verwaltung mit Einschluss der Ausgaben für die laufende Wirtschaftsführung, also z.B... |