Rz. 716

Ist bezüglich eines der Verwaltung unterliegenden Anspruchs zwischen dem Schuldner und einem Dritten bereits eine Klage anhängig, wurde früher in der Literatur die Auffassung vertreten, der Prozess werde in analoger Anwendung von § 239 oder § 240 ZPO unterbrochen. Diese Auffassung hat sich angesichts der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht durchgesetzt.

 

Rz. 717

Die Rechtsprechung des BGH[176] geht von einer analogen[177] Anwendung des § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO aus, da ein Wegfall der "Sachbefugnis" die "Prozessführungsbefugnis" nicht berühre. Die Instanzgerichte[178] sind dieser Spruchpraxis des BGH gefolgt und auch die neuere Literatur[179] vertritt nun diese Auffassung.

 

Rz. 718

Da also keine Unterbrechung des Rechtstreits erfolgt, der Schuldner aber (siehe § 2 Rn 705) die Prozessführungsbefugnis verliert, müsste eigentlich die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Nach derzeitigem Rechtstand lässt sich das Problem nur über die gewillkürte Prozess-Standschaft lösen, was zu drei verschiedenen Folgen führen kann.

 

Rz. 719

Stimmt der Prozessgegner dem Eintritt des Zwangsverwalters als Partei zu (§ 265 Abs. 2 ZPO), kann der Rechtstreit weitergeführt werden. Erfolgt keine Zustimmung, kann das Gericht den Eintritt als "sachdienlich" dennoch zulassen (§ 263 ZPO). Auf Rüge der Gegenseite kann die Klage auf Leistung oder Herausgabe an den Zwangsverwalter umgestellt werden, wenn das Gericht den Eintritt nach § 263 ZPO nicht zulässt.[180]

Mit Rücksicht auf diese Unsicherheit kann sich der Erlass eines Zahlungsverbotes (§§ 22 Abs. 2, 151 Abs. 3 ZVG) empfehlen.[181]

 

Rz. 720

Scheidet der Zwangsverwalter aus dem Amt aus, hat dies keine prozessuale Folge, da das Gericht sofort einen neuen Verwalter bestellen muss.[182] Gleiches gilt für den Tod des Zwangsverwalters.[183]

 

Rz. 721

Diese Rechtslage mag dogmatischen Ansprüchen genügen; sie wird jedoch weder der Stellung des Verwalters als Partei kraft Amtes noch der wirtschaftlichen Interesselage der Verwaltung gerecht und sollte Anlass zu einer Gesetzesänderung werden. Zumindest wird einem böswilligen Schuldner die Möglichkeit eröffnet – evtl. im Einvernehmen mit dem Prozessgegner – dem Gläubiger Haftungsmasse zu entziehen.[184] Bei verweigerter Zustimmung zum Eintritt sollte dem Prozessgegner gegebenenfalls ein Zahlungsverbot zugestellt werden,[185] um eine Zahlung an den Schuldner zu verhindern.

 

Rz. 722

Nichts anderes kann gelten, wenn der Schuldner vor der Beschlagnahme eine Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt hat und diese Kündigung nun klageweise verfolgt. Hier wird allerdings der Verwalter wohl stets die Zustimmung der Gegenseite zum Eintritt erhalten, wenn er den Anspruch nicht weiter verfolgen – also die Klage zurücknehmen – will. Der Verwalter wird sich überlegen müssen, dass er im Erfolgsfall einen zahlungskräftigen Mieter zu Lasten eines zahlungsunfähigen oder unwilligen Schuldners[186] verliert und wird die Weiterführung nur gestatten, wenn die Aufhebung der Verwaltung abzusehen ist. Ist dies der Fall, soll er aber den Schuldner ermächtigen können, die Klage im eigenen Namen weiter zu führen.[187] Einer solchen Ermächtigung wird es nur bedürfen, wenn der Gegner (Mieter) die Prozessführungsbefugnis des Schuldners rügt.

 

Rz. 723

Ist zum Zeitpunkt der Beschlagnahme eine Klage eines Insolvenzverwalters gegen z.B. einen Mieter auf Mietzahlung anhängig, hat die Beschlagnahme auf die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 ZPO). Vielmehr führt der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit in (jetzt doppelter) Prozessstandschaft weiter. Allerdings muss er – damit die (weiterhin zulässige) Klage nicht als unbegründet abgewiesen wird, den Klageantrag auf Zahlung an den Zwangsverwalter umstellen.[188]

[176] BGH Rpfleger 1986, 274 = NJW 1986, 3002.
[177] "Analog", da der materielle Rechtsträger nicht wechselt (Eickmann, § 40.IV).
[178] Z.B. OLG Naumburg OLG-NL 2001, 20.
[179] Hierzu Stöber, ZVG, § 152 Rn 14; Dassler-Engels, § 152 Rn 232 ff.; Böttcher, § 152 Rn 55 ff.; HWFH, § 7 ZwVwV Rn 2 ff.
[180] So Dassler-Engels, § 152 Rn 235 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1986, 3206 m.w.N.
[181] Stöber, ZVG, § 152 Rn 14,4.
[182] Stöber, ZVG, § 152 Rn 14.6.; HWFH, § 7 ZwVwV Rn 8 m.w.N.; Dassler-Engels, § 152 Rn 247.
[183] Dassler-Engels, § 150 Rn 28.2.
[184] Eickmann, § 40.IV.
[185] Stöber, ZVG, § 152 Rn 14.4.
[186] Der in diesem Fall kein Recht auf eine mietfreie Schuldnerwohnung hätte, da er zum Zeitpunkt der Beschlagnahme die Wohnung noch nicht bewohnte.
[187] LG Köln MDR 1954, 361.
[188] BGH NJW 1986, 3206. Der BGH hat also auch in dieser Entscheidung keine Unterbrechung angenommen.

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