Rz. 587

Gemäß § 149 Abs. 2 ZVG kann das Vollstreckungsgericht die Räumung der Schuldner-Wohnung anordnen, wenn er oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die ordnungsgemäße Verwaltung gefährdet. Das BVerfG[55] hat diese Vorschrift als verfassungskonform angesehen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Das Verfahren muss auf Vollstreckung einer Geldforderung gerichtet sein und nicht nur zu einem "Nebenzweck" (Entfernung des Schuldners, Vorbereitung einer Zwangsversteigerung).
Der Schuldner muss immer noch nachhaltig das Ergebnis dieser Vollstreckung gefährden. Keine Sanktion für früheres Verschulden.
Es muss geprüft sein, dass keine milderen Mittel (z.B. § 25 ZVG) den gewünschten Erfolg herbeiführen können.

Dabei kann und muss das Vollstreckungsgericht auf früheres Fehlverhalten zurückgreifen, wenn die Gefährdung immer noch besteht. Das BVerfG hat als solches Fehlverhalten ausdrücklich die Nichtzahlung der Nebenkosten genannt und somit anerkannt, dass deren Verlangen durch den Zwangsverwalter jedenfalls nicht verfassungswidrig ist.

An die formalen Voraussetzungen sind hohe Anforderungen zu stellen (Abmahnung, Prüfung und Erörterung, warum einfachere Maßnahmen nicht genügen), die in den Gründen des Beschlusses ihren Niederschlag finden müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte eine solche Entscheidung künftig nicht mehr ohne mündliche Verhandlung ergehen.

 

Rz. 588

Trotz der leicht misszuverstehenden Entscheidungsgründe des BGH[56] ist davon auszugehen, dass auch gegen einen in der Wohnung zurückgebliebenen "Hausgenossen" (siehe § 2 Rn 574, 584) eine Maßnahme nach § 149 Abs. 2 ZVG ergehen kann, wenn dieser selbst die Verwaltung im Sinne dieser Vorschrift gefährdet.

 

Rz. 589

Der Beschluss des Gerichts ist Vollstreckungstitel. Er bedarf weder einer Klausel noch der erneuten Zustellung, da ja bereits Amtszustellung an den Schuldner erfolgt ist. Vollstreckt wird durch den Gerichtsvollzieher im Auftrag des Verwalters. Eine besondere richterliche Genehmigung ist nicht erforderlich (siehe § 2 Rn 560).

 

Rz. 590

Da eine solche Entscheidung keinesfalls ohne Anhörung von Gläubiger und Schuldner ergehen kann, ist sie mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Der Verwalter hat (auch gegen die Ablehnung seines Antrags) keinen Rechtsbehelf, da er an die rechtlichen Anweisungen des Gerichts gebunden ist. Die Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses sollte abgewartet werden, wenn keine besondere Dringlichkeit vorliegt. § 721 ZPO ist nicht anwendbar (allgemeine Meinung). Räumungsschutz nach § 765a ZPO ist aber möglich.

 

Rz. 591

Immer häufiger[57] beruft sich ein Räumungsschuldner auf Gesundheitsgefährdung oder Selbstmordgefahr für sich oder einen Angehörigen. Inzwischen haben sich Rechtsprechung[58] und Literatur[59] ausführlich mit dieser Frage befasst. Hierauf kann verwiesen werden.

 

Rz. 592

Die Gründe, dem Schuldner den Besitz der Wohnung zu entziehen, sind vielfältig. Es kommen zunächst alle Gründe (außer Mietrückstand) in Betracht, welche nach der Rechtsprechung einen Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigen würden. Die Besonderheit der Zwangsverwaltung erfordert es aber, auch anderes Missverhalten genügen zu lassen, insbesondere:

massiven Widerstand bei der Besitzergreifung;
Abschreckung oder gar Bedrohung der Mietinteressenten, welche der Verwalter bringt;
Einziehen von Mieten;
schuldhaftes Nichtzahlen der Nebenkosten (allerdings siehe dazu § 2 Rn 580);
Verwahrlosung der überlassenen Räume;
permanente Belästigung der Mieter.
 

Rz. 593

Schuldhaftes, wenn auch nicht unbedingt vorsätzliches[60] Verhalten muss vorliegen, wobei der Schuldner für das schuldhafte Verhalten seiner Hausgenossen auch ohne eigene Schuld einstehen muss (zum Zusammentreffen von Zwangsverwaltung und Insolvenz siehe § 3 Rn 999).[61]

[56] BGH Rpfleger 2005, 154.
[57] Seit der Ermutigung durch die Entscheidung des BrandbOLG Rpfleger 2001, 91.
[59] Hock-Klein-Hilbert-Deimann, Rn 231 ff.; Lessing, RpflStud. 2005, 129 und 162; Hintzen, Rpfleger 2008, 656.
[60] Der Vorsatz muss sich nicht darauf erstrecken, das Grundstück oder die Verwaltung zu gefährden.
[61] Dazu auch Dassler-Engels, § 149 Rn 2.1.

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