Peter Depré, Günter Mayer
A. Die Rechtsstellung des Zwangsverwalters
I. Grundlagen
Rz. 525
Der Theorienstreit, ob das Amt des Verwalters nach der "Organtheorie", der "Vertretertheorie", der "Amtstheorie" oder der "Neutralitätstheorie" zu beurteilen ist, wird heute überwiegend und richtig zugunsten der "Neutralitätstheorie" entschieden. Demnach ist die Verwaltung "objektbezogen" und wird somit weder einseitig im Interesse der Gläubiger noch des Schuldners geführt. Eine wesentliche Bedeutung für die Praxis der Zwangsverwaltung hat aber der Theorienstreit nicht. Allerdings ist die – vom Eigentum unabhängig gedachte – "Neutralitätstheorie" am besten geeignet, das Verhältnis Zwangsverwalter/Ersteher zwischen Zuschlag und Aufhebung (siehe § 1 Rn 435) systemgerecht zu erklären.
Rz. 526
Was leider von Prozessgerichten gelegentlich übersehen wird: Anders als der Insolvenzverwalter ist der Zwangsverwalter nicht "Träger eines Rechtes", sondern "Verwalter fremden Rechtes in eigener Verantwortung". Sein Handeln begünstigt oder belastet unmittelbar das Vermögen des Schuldners, wobei er nur insoweit verfügen kann, als seine Handlungsmacht reicht. Wenn er Mieten einzieht, verliert der Schuldner die Mietforderung. Kauft er neues Zubehör, wird der Schuldner Eigentümer. Somit kann der Zwangsverwalter kein "Rechtsnachfolger" (des Schuldners) sein und niemand wird irgendwann sein Rechtsnachfolger. Deshalb kann der Zwangsverwalter den Grundbesitz weder belasten noch veräußern und auch nicht "aus der Zwangsverwaltung frei geben".
II. Handlungsgrundsätze
Rz. 527
Summarisch umschreibt § 152 ZVG die Rechte und Pflichten des Verwalters. Einzelheiten dazu regelt die ZwVwV, die auf § 152a ZVG beruht. Dass die Miet- und Pachtverträge, welche der Verwalter vorfindet, auch ihm gegenüber wirksam sind, (vorausgesetzt, Mieter und Pächter haben vor Beschlagnahme bereits den Besitz erlangt) bestimmt ausdrücklich § 152 Abs. 2 ZVG.
Rz. 528
Diese summarische Umschreibung hat nun der Verwalter unter Berücksichtigung der vorgefundenen Gegebenheiten und der ihm auferlegten Beschränkungen (z.B. § 149 Abs. 1 ZVG oder "Betriebsfortführung" siehe § 2 Rn 676 ff.) mit wirtschaftlicher Vernunft zu nutzen. Soweit er hierzu der Mitwirkung des Gerichts bedarf, hat sich dieses nicht an Formalien zu orientieren, sondern den Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens dahingehend zu nutzen, dass die Interessen des Gläubigers, des Schuldners und der übrigen Beteiligten in wirtschaftlich vernünftiger Weise gegeneinander abgewogen werden. Im Zweifelsfall haben die Interessen des Gläubigers zur Verwirklichung seiner Rechte Vorrang.
Rz. 529
Er hat darauf zu achten, dass das Objekt in seinem Bestand erhalten und – soweit vermeidbar – nicht verschlechtert wird. Erfährt er z.B. von einer Verwahrlosung, muss er sich "vor Ort" kundig machen und gegebenenfalls sofort einschreiten (siehe auch § 2 Rn 813).
Rz. 530
Der Verwalter muss grundsätzlich persönlich handeln und im Falle einer – nicht nur ganz kurzfristigen – Verhinderung das Gericht verständigen (§ 1 Abs. 3 S. 1 ZwVwV). Er darf also von sich aus keinen "Vertreter" für die Gesamtverwaltung beauftragen (dazu siehe auch § 2 Rn 556).
Allerdings kann er (§ 1 Abs. 2 S. 2 ZwVwV)
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einzelne Geschäfte, die keinen Aufschub dulden, im Falle seiner Verhinderung durch andere Personen (seine Mitarbeiter oder unter seiner Verantwortung auch Dritte) besorgen lassen und |
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unter seiner Verantwortung Hilfskräfte mit unselbstständigen Tätigkeiten (sie müssen also nach seiner Weisung handeln) betrauen. Hierbei kommt es also weder auf Verhinderung noch auf Dringlichkeit an. |
Rz. 531
Nach Auffassung des LG Potsdam darf der Verwalter Aufgaben wie z.B. Buchhaltung, Akteneinsicht oder Projektbetreuung auch an rechtlich selbstständige Dritte (hier eine GmbH, deren Geschäftsführer er ist) übertragen. Dieser Auffassung wird nicht gefolgt. Warum sollte (§ 1 Abs. 2 ZwVwV) eine "vorhandene Büroausstattung" Voraussetzung für die Auswahl sein, wenn der Verwalter das Büro nicht für die Verwaltung nutzen muss?
Rz. 532
Es wäre aber z.B. unzulässig, dass eine Bank – um die Rechtsprechung des BGH zu umgehen – einen ihrer Bediensteten als "Institutsverwalter" bestellen lässt, der nun seinerseits per Vollmacht die Gesamtverwaltung einem Außenstehenden, z.B. einem Rechtsanwalt, überträgt. Bestehen insoweit Zweifel, könnte das Gericht im Rahmen seines Aufsichtsrechtes den "Institutsverwalter" zur mündlichen Erörterung einbestellen und hierbei überprüfen, ob er über die Einzelheiten dieser Verwaltung ausreichend informiert ist.
III. Aufsicht des Gerichts
1. Allgemeines
Rz. 533
Die Tätigkeit des Gerichts ist nicht nur auf die gelegentlich erforderlich werdende Zustimmung zu bestimmten Rechtsgeschäften beschränkt, sondern umfasst die gesamte Aufsicht über die Geschäftsführung des Verwalters (§ 153 ZVG), wozu der Ve...