Peter Depré, Günter Mayer
I. Allgemeines
Rz. 1071
Eine bereits einmal mangels Gebote einstweilen eingestellte (§ 77 Abs. 1 ZVG) Zwangsversteigerung muss aufgehoben werden (§ 77 Abs. 2 S. 1 ZVG), wenn auch ein weiterer Termin ergebnislos bleibt. Um diese Aufhebung zu vermeiden, kann der Gläubiger die Überleitung des Versteigerungsverfahrens in ein Zwangsverwaltungsverfahren beantragen.
Der Antrag muss vor der Verkündung des Aufhebungsbeschlusses gestellt sein, kann also im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden. Ob er vor Schluss der Versteigerung gestellt werden muss oder noch zwischen Schluss der Versteigerung und Verkündung der Aufhebung ist umstritten. Der letztgenannten Ansicht schließen sich die Verfasser an. Der Antrag kann aber auch schon vorsorglich vorher – also auch schriftlich vor dem Termin – gestellt werden.
II. Voraussetzungen
Rz. 1072
Die Voraussetzungen, welche nach § 77 Abs. 2 S. 2 ZVG vorliegen müssen, sind keine anderen als jene, welche für die Anordnung einer originären Zwangsverwaltung vorliegen müssten (siehe § 1 Rn 10 ff.). Ist das Grundstück mit einem Nießbrauch oder Wohnungsrecht belastet, sind also auch die schon zu Beginn des Buches beschriebenen Erwägungen (siehe § 1 Rn 66 ff.) erforderlich, die bei der Anordnung der Zwangsversteigerung keine Rolle gespielt haben. Obwohl es sich um eine "echte" Zwangsverwaltung handelt, muss kein Rechtsschutzbedürfnis dergestalt vorliegen, dass der Gläubiger nunmehr Befriedigung aus Erlösen zu erwarten hat. Dies wird selten der Fall sein.
Rz. 1073
Vielmehr dient der Antrag dazu,
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die Beschlagnahme für einen neuen Versteigerungsantrag zu erhalten (§ 77 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 13 Abs. 4 S. 2 ZVG) und |
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bis dahin über die Zwangsverwaltung einer künftigen Versteigerung bessere Chancen zu schaffen. |
Rz. 1074
Der Verwalter könnte z.B.
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vom Schuldner vorsätzlich verwirrte Mietverhältnisse (§ 57b ZVG) entwirren und damit dubiose Anmeldungen beseitigen, welche die Interessenten abgeschreckt haben; |
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den Vollstreckungsschuldner über § 149 Abs. 2 ZVG aus dem Haus entfernen, da er das Anwesen verwahrlosen ließ oder sonstwie durch sein Verhalten (Drohungen) Bieter vom Bieten abgehalten hatte; |
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(seltener) die Erträge zur Tilgung der Zinsen des erstrangigen Grundpfandrechtes verwenden, das sich bisher an der Versteigerung nicht beteiligt hatte; |
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das Haus verwalten (und die Beschlagnahme erhalten), bis der Berechtigte verstorben ist, dessen Leibgeding bisher die Versteigerung verhindert hat. |
III. Mehrere Gläubiger
Rz. 1075
Betreiben mehrere Gläubiger die Zwangsversteigerung, käme eine Aufhebung nach § 77 Abs. 2 S. 1 ZVG nur gegenüber demjenigen in Betracht, für welchen (§ 43 ZVG) der ergebnislose Termin gehalten wurde und für den bereits ein früherer Termin durch Ergebnislosigkeit gescheitert war. Es kann aber möglich sein, dass der ergebnislose Termin auch für Gläubiger gehalten wurde, auf welche diese Voraussetzungen nicht zutreffen und für welche somit noch keine Aufhebung (§ 77 Abs. 2 S. 1 ZVG) erfolgt wäre.
Rz. 1076
Obwohl die Überleitungsmöglichkeit offensichtlich nur die Aufhebung verhindern soll – und obwohl jeder Gläubiger sein eigenes Verfahren hat, wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, alle Gläubiger dieses Termins könnten sich der Überleitung anschließen, wenn auch nur für einen die Voraussetzungen vorliegen. Diese Auffassung erscheint nicht zutreffend. Die Möglichkeit zur Überleitung ist (nur) die Alternative zur Aufhebung; nicht zur einstweiligen Einstellung. Soweit Letztere noch möglich ist, muss sie auch erfolgen. Die Beschlagnahme bleibt den Betroffenen erhalten und sie können jederzeit einen "normalen" Antrag auf Zwangsverwaltung (§ 146 ZVG) stellen, wenn sie dies wollen.
Rz. 1077
Wenn also mehrere Gläubiger vorhanden sind, kommen folgende Fälle in Betracht:
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Alle Gläubiger können die Überleitung beantragen und tun dies auch. Das Verfahren geht in eine Zwangsverwaltung über, die Zwangsversteigerung ist beendet, ohne dass eine formelle Aufhebung erfolgt. |
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Mehrere Gläubiger können die Überleitung beantragen, nur einer beantragt sie. Das Verfahren wird für ihn als Zwangsverwaltung weitergeführt, für die anderen die Zwangsversteigerung aufgehoben. |
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Die Voraussetzungen für die Überleitung (siehe § 4 Rn 1075) liegen nur für einen Gläubiger vor, für einen anderen noch nicht und für den Dritten wurde der Termin nicht gehalten (§ 43 ZVG). Das Verfahren wird für den ersten Gläubiger übergeleitet, für den Zweiten einstweilen eingestellt und für den Dritten alsbald ein neuer Versteigerungstermin bestimmt. |
IV. Das Verfahren
Rz. 1078
Es handelt sich um eine "echte" Zwangsverwaltung, auf welche alle Vorschriften der §§ 146 ff. ZVG Anwendung finden. Ein Zwangsverwalter wird – wenn möglich im Überleitungsbeschluss – bestellt, anderenfalls in einem späteren Beschluss. Mehrere gleichzeitige Überleitungsbeschlüsse gelten gemeinsam als Anordnung; eine evtl. spätere Überleitung ...