I. Pfändung eines Nießbrauchs

1. Allgemeines

 

Rz. 1085

Obwohl ein Nießbrauch nicht übertragbar ist (§ 1159 S. 1 BGB), wird heute überwiegend angenommen, dass das dingliche Stammrecht und nicht nur der (obligatorische) Anspruch auf Ausübung (§ 1159 S. 2 BGB) der Pfändung unterworfen ist. Allerdings kann der Pfandgläubiger den Nießbrauch als solchen nicht verwerten (denn er ist ja nicht übertragbar!), sondern er kann seine Befriedigung nur durch die Ausübung der Rechte[34] des Nießbrauchers erreichen.

 

Rz. 1086

Diese Ausübung kann das Vollstreckungsgericht – bereits im Pfändungsbeschluss – dergestalt regeln, dass es eine Verwaltung anordnet (§ 857 Abs. 4 S. 2 ZPO). Nach allgemeiner Meinung[35] sind für diese Verwaltung die Vorschriften über die Zwangsverwaltung analog anzuwenden, soweit die Besonderheit dieses Verfahrens solches ermöglicht. Die Anordnung tritt an die Stelle einer Überweisung der Ausübung,[36] welche auch dem Pfandgläubiger keinen unmittelbaren Nutzen[37] bringen würde.

[34] Auch der vertragliche Ausschluss der Übertragung hindert die Pfändung nicht, Meyer, JurBüro 1984, 655, 660.
[35] Hierzu insbesondere Stöber, Forderungspfändung, Rn 1709 ff., welcher neben einer ausführlichen Darlegung des Rechtsstandes auch ein Muster für einen solchen Pfändungsbeschluss anbietet. Für die Anwendung der Vorschriften des ZVG auch OLG Düsseldorf Rpfleger 1997, 315 und LG Lübeck Rpfleger 1993, 360.
[36] Die Überweisung des Nießbrauchs (des Stammrechtes) ist unzulässig.
[37] Denn die Erträge – auf welche sich ja die Pfändung nicht erstreckt – müssten zugunsten des Nießbrauchers und des Pfandgläubigers seitens der Mieter hinterlegt werden.

2. Anordnung durch das Gericht

 

Rz. 1087

Bereits im Pfändungsbeschluss wird die Verwaltung angeordnet, wobei das Gericht nach Möglichkeit auch den Verwalter bestellen und die Grundsätze zur Verwaltung regeln soll. In Betracht kommt z.B.

eine dem § 150 Abs. 2 ZVG angelehnte Bestimmung, wie der Verwalter (Sequester) in den Besitz des Grundstücks gelangen soll;
die Vergütung des Verwalters;
die Bestimmung der Rechnungs-Zeiträume;
und vor allem die Anweisung, dass der Verwalter Überschüsse an den Pfandgläubiger abzuführen hat.
 

Rz. 1088

Die Anordnung der Zwangsverwaltung hat zur Voraussetzung, dass der Schuldner (also der Nießbraucher) im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Grundstücks ist. Das Vollstreckungsgericht hat dies bei der Anordnung nicht zu prüfen, wenn die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch nachgewiesen ist. Es hat jedoch die Anordnung abzulehnen, wenn ihm bekannt ist, dass der Schuldner keinen Besitz hat.[38]

3. Die Besitzergreifung

 

Rz. 1089

Der Verwalter ergreift in gleicher Weise den Besitz des Grundstücks, wie dies auch für den Zwangsverwalter vorgesehen ist. Er kann also – falls er zur Besitzergreifung ermächtigt wurde – den Widerstand des Nießbrauchers mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers brechen.

 

Rz. 1090

Ist jedoch der Eigentümer (Drittschuldner) oder ein Dritter im Besitz des Grundstücks, muss das Herausgabeverlangen auf dem Weg der Klage erfolgen. Die Klage (auf Herausgabe an den Verwalter) kann aber nur der Gläubiger, nicht der Verwalter, erheben.

 

Rz. 1091

Erlangt der Verwalter den Besitz des Grundstücks, wird spätestens hierdurch die Pfändung bewirkt (§ 857 Abs. 4 S. 2 ZPO), falls sie nicht bereits früher durch die Zustellung an den Drittschuldner bewirkt wurde.

4. Die Durchführung der Verwaltung

 

Rz. 1092

Die Verwaltung erfolgt nach den Grundsätzen des ZVG. Der Verwalter hat also alle Nutzungen zu ziehen, welche dem Nießbraucher zustehen, also insbesondere Miete und Pacht einzunehmen (§ 1036 Abs. 2 BGB), wobei er (siehe dazu auch § 5 Abs. 1 ZwVwV) die vorgefundene Nutzung regelmäßig beizubehalten hat. Für Ausnahmen gelten die §§ 1037 bis 1039 BGB.

Anspruch auf die mietfreie "Schuldnerwohnung" hat der Nießbraucher nicht, denn er ist nicht "Eigentümer". § 149 Abs. 1 ZVG ist nicht entsprechend anwendbar.[39]

 

Rz. 1093

Gleichzeitig hat der Verwalter aber auch für die Erhaltung des Grundstücks (gewöhnliche Unterhaltung) zu sorgen – § 1041 BGB – das Grundstück nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu versichern (§ 1045 BGB) und die Lasten des Grundstücks (§ 1047 BGB)[40] zu tragen.

 

Rz. 1094

Erzielte Überschüsse sind an den Pfandgläubiger bis zu dessen Befriedigung auszuzahlen. Ein Teilungsplan wird nicht aufgestellt. Allerdings gehören die Zinsen der Grundpfandrechte, soweit sie der Nießbraucher (gegenüber dem Eigentümer) zahlen müsste (§ 1047 BGB), zu den "Aufwendungen".

 

Rz. 1095

Werden nicht genügend Einnahmen aus dem Nießbrauch erzielt, muss der Gläubiger dem Verwalter einen angemessenen Vorschuss zahlen. Demnach kann also der Verwalter auch für die nach § 1047 BGB von ihm zu zahlenden Zinsen einen Vorschuss verlangen und verwenden.

 

Rz. 1096

Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Vollstreckungsgerichts, das ihm über die im Beschluss festgelegten Regeln auch Anweisung im Einzelfall erteilen kann. Sein Handeln ist Vollstreckung, weshalb Gläubiger und Schuldner gegen Maßnahmen des Verwalters (auch gegen das Unterlassen von Maßnahmen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?