Dipl.-Betriebsw. Markus Matt
1.1 Fachexperte für Lohn und Gehalt
Die Bezeichnung "Entgeltabrechner" ist grob irreführend, denn das Entgelt wird eher nebenbei abgerechnet.
Vielmehr geht es darum, die Voraussetzungen für eine korrekte Entgeltabrechnung zu schaffen – und die sind komplex. Zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Gerichtsurteile, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, individuelle vertragliche Vereinbarungen müssen nicht nur beachtet, sondern stetig mit Blick auf Veränderungen in die Praxis einbezogen werden.
Im Ergebnis müssen etliche umfangreiche und oftmals ausnehmend juristisch formulierte Texte erfasst, praktisch umgesetzt und im Bedarfsfall auch verständlich erklärt werden – keine triviale Aufgabe.
Zudem sind all diese Vorgaben zahlreichen und nahezu permanenten Änderungen unterworfen. Für die Payroll sind breites Fachwissen und permanente Weiterbildung folglich ein "Muss".
Ferner gilt es, die Hierarchie der Gesetze zu beachten. Man denke allein an die wachsende Zahl an Urteilen des Europäischen Gerichtshofs mit direkter Auswirkung auf die nationale Gesetzgebung.
Der Vorschriftendschungel bei den SFN-Zuschlägen
Eine der wichtigsten Regelungen ist die steuerliche Behandlung der Zuschläge für Arbeit an Sonn- oder Feiertagen und in der Nacht (kurz SFN).
- Allein der § 3b EStG umfasst 229 Wörter.
- Die dazugehörige Lohnsteuerrichtlinie umfasst 1.800 Wörter.
- Die Lohnsteuerhinweise umfassen 1.200 Wörter.
Dazu kommen noch unzählige Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) und Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH), die das Gesetz beschreiben und kommentieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass bei der Bezahlung von SFN-Zuschlägen oftmals Tarifverträge umzusetzen sind, die von den Gesetzen abweichen können.
1.2 Die richtigen Knöpfe drücken
Wer jemals ein System für Entgeltabrechnung näher betrachtet hat, der weiß genau um dessen Komplexität. Man muss folglich die "Knöpfe" auch bedienen können, sich mit dem EDV-Programm auskennen und muss das Abrechnungssystem beherrschen – obwohl dieses eben nicht alle Arbeit abnimmt, sondern nur einen kleinen Teil.
Jedes Verfahren hat also seine eigene Logik und die Funktionen sind in der Regel zahlreich. Wer damit arbeitet, sollte genau wissen, welche Vorgabemöglichkeiten er wo findet, welche Workflows und Prüfroutinen programmiert und welche individuell konfigurierbar sind, wie die Abrechnungsroutinen angestoßen und geprüft werden u. v. m. Es müssen folglich die richtigen Knöpfe gedrückt werden, um alle Schritte ordnungsgemäß durchzuführen. Hinzu kommen Updates, Erweiterungen und Neuausrichtungen des genutzten Systems.
1.3 Strategische Neuausrichtungen
In vielen Unternehmen wird die technische Payroll-Lösung außerdem im Laufe der Jahre bisweilen gewechselt, etwa durch Fusionen mit anderen Firmen oder aufgrund neuer strategischer Ausrichtungen. Der Übergang auf eine neue Software ist eine Art Meisterklasse der Entgeltabrechnung, denn die Praktiker dürfen im Zuge der Neuausrichtung nichts vergessen und keine Fehler machen, um den Neustart nicht von vornherein mit chronischen Fehlern zu belasten. Es gilt daher, über einen langen Zeitraum hinweg besonders genau hinzusehen und zu prüfen, um Inkonsistenzen zu identifizieren.
Ein weiteres Thema ist Outsourcing. Immer mehr Betriebe lagern die Entgeltabrechnung an einen externen Dienstleister aus, welcher Teile des Aufgabenfelds der internen Lohnexperten übernimmt. Die "Internen" werden indes nicht zwingend arbeitslos, denn in vielen Fällen verbleibt eine Vielzahl vor- und nachbereitender Tätigkeiten im Unternehmen. Die neuen Aufgabengebiete müssen zugeschnitten und gelebt sowie tragfähige Workflows mit dem Anbieter geschaffen werden.
1.4 Spannungsfeld Beratung
Wer in der Entgeltabrechnung tätig ist, muss den Beschäftigten oftmals Sachverhalte erklären. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich Nettoentgelte vermindern. Dann muss dargestellt werden, warum eine neu vereinbarte Entgeltumwandlung oder ein kürzlich angeschaffter Dienstwagen den Auszahlungsbetrag verändern. Oder es wird verdeutlicht, dass die Beitragssätze zur Sozialversicherung zum Jahreswechsel angepasst worden sind. Rückfragen von oftmals aufgeregten Mitarbeitern des Unternehmens gehören mehr oder weniger zu den Routineaufgaben der Abteilung. Ein besonders bekanntes Beispiel für großen mitarbeiterseitigen Beratungsbedarf ist das Kurzarbeitergeld mit all seinen komplexen und immer wieder veränderten Regelungen. Das Kurzarbeitergeld spielt seit Ausbruch der Corona-Pandemie in zahlreichen Betrieben eine Rolle, deren Beschäftigte dieses Wort zuvor nur aus der Tagespresse kannten.
Doch klopfen nicht nur die Kollegen mit Nachfragen an, auch der Betriebsrat und die Geschäftsleitung haben regelmäßig Anliegen, ebenso wie die Finanzbuchhaltung und das Controlling. Schließlich wird in der Payroll enorm viel Geld bewegt und die Personalkosten stellen üblicherweise einen guten Teil der unternehmerischen Ausgaben dar. Insbesondere Anfragen der Geschäftsleitung erfordern nicht selten erhebliche Kommunikationsstärke und manchmal auch gute Nerven, denn diese sind für strategische unternehmerische Entscheidungen oft von großer Bedeu...