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Wenngleich eine Testamentsvollstreckung nicht für jeden Nachlass notwendig ist, so erscheint deren Anordnung doch in vielen Fällen ratsam. Ein Testamentsvollstrecker vermittelt aufgrund seiner Erfahrung und des in ihn gesetzten Vertrauens des Erblassers in der Regel die notwendige Autorität und Neutralität, um möglichen Streit unter den Erben zu vermeiden und auf eine einvernehmliche Erbauseinandersetzung hinzuwirken.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung dürfte die Testamentsvollstreckung eine gewisse Renaissance erleben. Denn faktisch jedermann, der auch ein "digitales Leben" hat, muss sich fragen lassen, was mit dem geschehen soll, was im Laufe des Lebens im Netz und auf Speichermedien hinterlassen wird. Soll – nicht zuletzt aus Gründen des Familienfriedens (etwa bei einem bis zum Tode verborgen gelebten "Doppelleben") – verhindert werden, dass postum Sachverhalte bekannt werden, die man buchstäblich gern mit ins Grab genommen hätte, dann ist es dringend geboten, zu Lebzeiten einen zuverlässigen und vertrauensvollen Abwickler dieses Teils des Nachlasses zu bestimmen.
Nach Möglichkeit sollte der Erblasser bei Errichtung seines Testaments den Testamentsvollstrecker und sogleich eine Ersatzperson konkret benennen. Dadurch ist sichergestellt, dass nicht eine seinen Vorstellungen von der Art und Weise der Amtsführung widersprechende natürliche oder juristische Person eingesetzt wird.
Der vom Erblasser bestimmte "Testamentsvollstrecker des Vertrauens" hat dann nach dessen Tode die Aufgabe, seine letztwilligen Verfügungen auszuführen. Konkret bedeutet dies, dass nicht die Erben, sondern der Testamentsvollstrecker befugt ist, über den Nachlass zu verfügen. Er ist dabei nicht an Anweisungen der Erben gebunden. Er hat sich alleine nach den Wünschen des Erblassers zu richten und spiegelt damit postmortal die Privatautonomie des Erblassers wider. Hierdurch ist aus Sicht des Erblassers sichergestellt, dass das erworbene Vermögen in seinem Sinne zusammengehalten wird und dieses – insbesondere wenn ein Unternehmen vorhanden ist – auch "weiterlebt".
Der Testamentsvollstrecker konstituiert den Nachlass, nimmt insbesondere das Nachlassverzeichnis auf, klärt die laufenden Verträge des Erblassers, sorgt für den Erbschein, ggf. die Umschreibung von Grundbesitz, die Berichtigung der Konten, die Begleichung von Steuern und nicht zuletzt für die Erfüllung von Vermächtnissen und Auflagen. Er ist damit über dessen Tod hinaus "Dienstleister" des Erblassers und des Nachlasses. Je nach Anordnung des Erblassers soll diese Dienstleistung unentgeltlich mit bloßem Anspruch auf Auslagenersatz oder auch entgeltlich erfolgen.
Aufgrund des nicht zu unterschätzenden Haftungsrisikos ist es allerdings für den (potenziellen) Testamentsvollstrecker dringend angeraten, nach Möglichkeit vor der Amtsannahme Einsicht in die Nachlassakte zu nehmen und das Amt abzulehnen, wenn absehbar ist, dass es etwa zu Zerwürfnissen mit den Erben kommen wird bzw. die Vergütung der Tätigkeit ungewiss ist oder auch der Testamentsvollstrecker sich aus persönlichen und/oder fachlichen Gründen nicht zur Amtsübernahme im Sinne des Erblasserwillens in der Lage sieht.