Sachverhalt
Das belgische Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 6 Abs. 4 (Dienstleistungskommission) und Art. 13 Teil B Buchst. f (Steuerbefreiung für Glücksspiele) der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007 Art. 28 bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL).
Im Ausgangsverfahren schloss ein Kommissionär (Agentur) Wetten (Wetten auf Pferderennen und andere Sportereignisse) für einen Kommittenten (die Klägerin) ab. Dabei war nicht die Frage der Steuerfreiheit der Wettleistungen des Kommissionärs an die wettenden Kunden streitig, sondern die Besteuerung der Leistungen des Kommissionärs gegenüber dem Kommittenten, für die der Kommissionär eine Provision erhielt. Die Klägerin (TFB) ist eine im Jahr 2008 für insolvent erklärte AG mit Sitz in Belgien, die sich mit der Annahme von Wetten, insbesondere für Pferderennen in Belgien und anderen Staaten befasst. Im Rahmen ihrer Tätigkeit bediente sie sich eines Netzes lokaler Agenturen, so genannter "Wettbürobetreiber", das sich über das gesamte Königreich Belgien erstreckte. Diese Wettbürobetreiber waren für die Einnahme der Wetteinsätze für Pferderennen oder andere Sportereignisse, die Aufzeichnung der Wetten und die Ausstellung von Wettscheinen oder Tickets an die Wetter sowie für die Auszahlung der Gewinne zuständig. Jeder Wettbürobetreiber war durch einen so genannten "Kommissionsvertrag" an TFB gebunden. Die belgische Steuerverwaltung war der Auffassung, dass die Wettbürobetreiber im Namen von TFB arbeiteten und die Tätigkeit, für die die Provisionen gezahlt wurden, daher mehrwertsteuerpflichtig sei. TFB dagegen meinte, dass die streitigen Provisionen nicht steuerpflichtig seien, weil die Wettbürobetreiber als Kommissionäre anzusehen seien, die im Rahmen einer Dienstleistungskommission steuerfreie Wettumsätze tätigten.
Entscheidung
Der EuGH hat - unter der Prämisse, dass im Ausgangsfall eine Dienstleistungskommission vorlag, der Wettbürobetreiber also im eigenen Namen und für fremde Rechnung (der der Klägerin) tätig wurde - entschieden, dass auf der Basis von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Wettbürobetreiber von einer steuerfreien Dienstleistung auszugehen war. Da Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie in deren Abschnitt V ("Steuerbarer Umsatz") fällt und allgemein gefasst ist, ohne Beschränkungen in Bezug auf seinen Anwendungsbereich oder seine Tragweite zu enthalten, betrifft die mit dieser Vorschrift geschaffene Fiktion nach der EuGH-Entscheidung auch die Anwendung von nach der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen. Wenn eine Dienstleistung, bei der ein Kommissionär hinzutritt, steuerfrei ist, gilt diese Befreiung nach dem EuGH-Urteil auch im Rechtsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär. Dieses Ergebnis gilt auch für die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie für Wettumsätze vorgesehene Befreiung. Diese Befreiung weist nach der EuGH-Entscheidung im Verhältnis zu anderen Befreiungen keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie einzuschränken und Wettumsätze davon auszunehmen. Außerdem spielt es nach dem EuGH-Urteil für die Anwendung von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie keine Rolle, dass Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie für Vermittlungsleistungen keine Steuerbefreiung vorsieht, während eine solche in Art. 13 Teil B Buchst. a und d der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist.
Die Entscheidung des EuGH ist ausdrücklich unter der Prämisse ergangen, dass im Ausgangsfall eine Dienstleistungskommission vorlag. Der EuGH lässt durchblicken, dass er daran Zweifel hatte und er selbst von einer (dann steuerpflichtigen) Vermittlungsleistung des Wettbürobetreibers an die Klägerin (also einem Auftreten des Wettbürobetreibers in fremdem Namen und für fremde Rechnung) ausgegangen wäre.
Hinweis
a) Zur Dienstleistungskommission
Die Entscheidung des EuGH, dass bei Annahme einer Dienstleistungskommission die Leistung des Wettbürobetreibers als Wettumsatz steuerfrei ist, bestätigt die deutsche Rechtslage nach § 3 Abs. 11 UStG i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG. Zwar sind in der deutschen Rechtspraxis Fälle einer Wettkommission bislang offenbar nicht von Bedeutung. Denn Abschn. 4.9.2 UStAE unterscheidet nur zwischen Buchmachern, die selbst Wetten auf eigene Rechnung abschließen (Abs. 1), und solchen, die Wetten nur vermitteln (Abs. 2). Bei auf eigene Rechnung handelnden Buchmachern wird nach Abschn. 4.9.2 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE nicht zwischen der Wettleistung und einer Verwaltungsleistung, die mit einer Wettscheingebühr abgegolten wird, differenziert, da es sich um eine einheitliche Leistung gegenüber dem Kunden handelt. Bei Buchmachern, die nur eine Vermittlungsleistung gegen Provision erbringen, unterliegt diese nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift nicht der Steuerbefreiung.
Der Fall einer Wettkommission, bei der vom Kommissionär einerseits gegenüber dem Kunden eine Wettleistung, andererseits gegenüber dem Kommittenten eine Verwaltungs...