Leitsatz
Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
Kann der Berechtigte sein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen eines medizinisch notwendigen Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht ausüben, kommt die Begründung einer Zahlungspflicht des Verpflichteten im Wege der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nur in Betracht, wenn der Heimaufenthalt auf Dauer erforderlich ist und die Vertragschließenden nicht mit dem Eintritt dieses Umstands gerechnet haben; fehlen diese Voraussetzungen, kann die ergänzende Vertragsauslegung einen Geldanspruch des Berechtigten begründen.
Normenkette
BGB § 1093
Kommentar
Die Eigentümerin hatte ihrem Sohn im Jahr 1980 ein Mehrfamilienhaus übertragen. Als Gegenleistung hierfür hatte dieser seiner Mutter ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht nach § 1093 BGB an einer Wohnung eingeräumt. Im Jahr 1996 erlitt die Mutter einen Schlaganfall; seitdem lebt sie in einem Pflegeheim. Die hierfür erforderlichen Unterbringungskosten werden von einem Sozialhilfeträger aufgebracht. Der Sohn hat die Wohnung mit Zustimmung seiner Mutter vermietet. Der Sozialhilfeträger hat die Ansprüche der Mutter aus dem Mietvertrag auf ihn übergeleitet. Es war zu entscheiden, wem die Mieteinnahmen zustehen.
Dies hängt zunächst davon ab, ob das Wohnrecht erlischt, wenn es vom Berechtigten nicht mehr ausgeübt werden kann. Dies wird vom BGH verneint. Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Wohnrecht erlischt, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (BGH, NJW 1964, 1226). Der Umzug eines Berechtigten in ein Pflegeheim genügt hierfür nicht, weil diesem die Möglichkeit verbleibt, die Ausübung des Rechts einem Dritten zu überlassen. Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt deshalb nicht generell zum Erlöschen des Wohnrechts, auch wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
In bestimmten Fällen kann dem Berechtigten nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) statt des Wohnrechts ein Zahlungsausgleich in Geld zustehen. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn das persönliche Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten zerrüttet ist (BGH, NJW-RR 1995, 77; NJW-RR 2002, 853). Allerdings sind die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur bei einer unvorhergesehenen Änderung der tatsächlichen Umstände anwendbar. Daran fehlt es, wenn das Ausübungshindernis aus dem Alter oder dem Gesundheitszustand des Berechtigten herrührt. Mit dem Eintritt solcher Umstände ist nämlich stets zu rechnen.
Vorliegend hat die Berechtigte die Ausübung des Wohnrechts einem Dritten, nämlich einem Mieter, überlassen. Diese Form der Ausübung des Rechts ist nur mit Gestattung des Eigentümers möglich (§ 1092 Abs. 1 S. 2 BGB). Hierfür ist eine Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten erforderlich. Eine solche Vereinbarung hatten die Beteiligten getroffen, weil zwischen ihnen Einigkeit bestand, dass der Sohn die Wohnung vermieten sollte.
Allerdings haben die Beteiligten nicht ausdrücklich geregelt, wem die Mieteinnahmen zustehen sollen. Der BGH kommt zum Ergebnis, dass nach Auslegung des Vertrags die Mutter die Mieten herausverlangen kann. Aus dem Sinn und Zweck des Vertrags folge, dass das Wohnungsrecht Teil der Altersversorgung der Mutter ist. Die Mutter sollte das Recht haben, die Wohnung kostenfrei zu nutzen; im Hinderungsfall sollte ihr als Ausgleich der Mietwert der Wohnung zustehen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 19.1.2007, V ZR 163/06, NZM 2007, 381 = WuM 2007, 139