Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 21 WEG
Kommentar
In einer Anlage mit 40 Eigentumswohnungen bestätigte das OLG Stuttgart einen Mehrheitsbeschluss (als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung), der es den Eigentümern zur Auflage machte, die gemeinschaftliche Schneeräum- und Streupflicht durch die einzelnen Wohnungseigentümer im Wechsel nach einem aufgestellten Plan zu erfüllen.
Entgegen bisher herrschender Rechtsmeinung führte das Gericht u.A. aus, dass es nicht ersichtlich sei, dass die Durchführung des Winterdienstes durch tätige Mithilfe der Wohnungseigentümer weniger dem geordneten Zusammenleben in der Gemeinschaft diene und dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspreche, als die Durchführung durch eine vom Verwalter bestellte Hilfskraft. Ganz im Gegenteil könnten hier finanzielle Aufwendungen erspart werden.
Dem einzelnen Eigentümer, der zur tätigen Mithilfe nicht bereit oder in der Lage sei, stehe es frei, den ihn im Wechsel treffenden Winterdienst durch einen Dritten ausführen zu lassen. Die Frage der Zumutbarkeit des Planes selbst sei in diesem Anfechtungsverfahren nicht zu prüfen. Aus der gesetzlichen Lasten- und Kostenregelung der Eigentümer und der Leistung finanzieller Beiträge lasse sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass das Gesetz tätige Mithilfe der Eigentümer bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben ausschließe und deshalb hierfür eine Vereinfachung erforderlich sei. Schneeräumen und Streuen sei auch nicht vergleichbar mit den bisher entschiedenen Sachverhalten eines Rasensprengens bzw. des Streichens von Balkonen. Im vorliegenden Fall gehe es um öffentlich-rechtliche Pflichten und die Erfüllung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten.
Link zur Entscheidung
( OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.05.1987, 8 W 89/87= DWE 87, S. 99)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Hier schließe ich mich der schon erfolgten Kritik von Bielefeld in DWE 87, S. 101 zu dieser Entscheidung an. Es verwundert natürlich nicht, dass gerade das OLG Stuttgart zu einer von der h. R. M. abweichenden Meinung gelangt ist, gibt es in diesem Raum bekanntlich bereits die sog. Kehrwoche (persönliche Treppenhausreinigung der Bewohner im Turnusdienst sozusagen kraft Gewohnheitsrechts).
Gerade beim Winterdienst lassen sich allerdings auch m.E. durch noch so gründlich aufgestellte Pläne Unbilligkeiten aus der Natur der Sache heraus (unterschiedlicher Schneefall) nicht vermeiden. Diese Fragen der Organisation hätten bei der Gültigkeitsprüfung des allgemeinen, angefochtenen Beschlusses mitberücksichtigt werden müssen. Ein zu allgemein und unbestimmt gehaltener Beschluss kann nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (ebenso Bielefeld unter Hinweis auf BayObLG, Entscheidung vom 09.08.1984, 2 Z 77/83).
Richtig bemerkt Bielefeld auch, dass sich die Lastenverteilung der Eigentümer grundsätzlich nach den festgelegten Miteigentumsquoten richtet ( § 16 Abs. 2 WEG), das Gesetz also von einer auf dieser Grundlage anteilsmäßig gleichen Verpflichtung aller Wohnungseigentümer ausgeht. Diesen Erfordernissen wird ein noch so guter Plan über Schneeräum- und Streupflichten sicher nie gerecht werden können. Die Beauftragung eines separat zu bezahlenden Dritten bei nicht möglicher eigener Leistungserbringung ist auch m.E. als Änderung des Kostenverteilungsschlüssels anzusehen, eine Mehrheitsbeschlussfassung mit diesen möglichen Folgen deshalb (erfolgreich) anfechtbar [Die Gesamtproblematik "tätiger Mithilfe" ist bis heute noch nicht höchstrichterlich geklärt; es gibt weitere unterschiedliche oberlandesgerichtliche Entscheidungen, wobei häufig auch nach den jeweiligen Arbeiten differenziert wird]. Unbilligkeiten liegen auf der Hand, wenn solche Beschlüsse (als gültig und ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend) Schule machen sollten.