Leitsatz
- Die Veräußerung des Wohnungseigentums während eines rechtshängigen Wohnungseigentumsverfahrens lässt die Verfahrensführungsbefugnis des Veräußerers unberührt. Einer formellen Beteiligung des Erwerbers durch das Gericht bedarf es nicht.
- Der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden der Wohnungseigentümerversammlung kommt grundsätzlich konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich im Regelfall um eine Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses.
- Die formal einwandfrei zustande gekommene Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer hat Beschlussqualität. Ein solcher Negativbeschluss ist kein Nichtbeschluss.
Fakten:
Verfahrensführungsbefugnis des Veräußerers
Tritt im laufenden wohnungseigentumsrechtlichen Gerichtsverfahren ein Eigentümerwechsel ein, so beeinflusst dieser die Verfahrensführungsbefugnis des Veräußerers nicht. Das ist so weit nichts neues und entspricht im übrigen bereits herrschender Meinung. Zwar fehlt es im Wohnungseigentumsgesetz und dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit an einer entsprechenden Bestimmung, einer analogen Anwendung der Regelungen der ZPO - hier § 265 Abs. 2 ZPO - steht jedoch nichts entgegen.
Das letzte Wort hat der Versammlungsleiter
Mit dieser Grundsatzentscheidung beendet der BGH jedoch den seit langem bestehenden Streit in Rechtsprechung und Schrifttum, ob der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter konstitutive - also rechtsbegründende - oder lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. U.a. das OLG Köln und das BayObLG hatten bislang die Auffassung vertreten, dass der Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter keine konstitutive Bedeutung zukomme. Im Klartext: Hatte der versammlungsleitende Verwalter etwa entgegen der tatsächlichen Gegebenheiten die Ablehnung eines Beschlusses festgestellt, so galt eben entsprechend der Tatsachen und entgegen der Feststellungen des Verwalters ein Beschluss doch als zustande gekommen.
Insbesondere aber der überwiegende Teil des Schrifttums und auch das OLG Hamm waren hier anderer Meinung: Die Entscheidung des Versammlungsleiters, der die Annahme oder Ablehnung eines gestellten Antrags verkündet hatte, stelle die Beschlussfassung vorläufig verbindlich fest. Der BGH hat sich in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die Bestimmung in § 24 Abs. 6 WEG nun dieser Auffassung angeschlossen. Da diese gesetzliche Regelung die Feststellung des Beschlussergebnisses voraussetze, werde hierin der gesetzgeberischen Wertung Ausdruck verliehen, dass sowohl mit der Feststellung der Zahl gültiger Ja- und Nein-Stimmen die abschließende Prüfung der Gültigkeit der abgegebenen Stimmen als auch die rechtliche Beurteilung des Abstimmungsergebnisses nicht bei den Wohnungseigentümern verbleiben solle, sondern dem Versammlungsleiter obliege. Aus Gründen der Rechtssicherheit solle dessen Entscheidung aber für die Wohnungseigentümer vorbehaltlich einer etwa erfolgenden Beschlussanfechtung auch verbindlich sein.
Konsequenz: Anfechtbarkeit von Negativbeschlüssen
Fast schon notwendige Konsequenz aber dieser Auffassung ist, dass der BGH in seiner Entscheidung der Meinung des überwiegenden Teils der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein gemäß § 23 Abs. 4 WEG anfechtbarer Beschluss nur dann vorliegt, wenn sich die Mehrheit für einen Antrag ausgesprochen und dadurch eine Regelung getroffen hat, eine Absage erteilen musste und nunmehr auch einem negativen Abstimmungsergebnis Beschlussqualität zuspricht. Entsprechend dem Gemeinschaftswillen werde zwar festgelegt, dass die beantragte änderung oder Ergänzung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten solle, gleichfalls könne aber einem derartigen kollektiven Willensakt eine Beschlussqualität dennoch nicht abgesprochen werden. Die Ablehnung eines Antrags unterscheide sich im übrigen in nichts von der - unzweifelhaft als Beschluss anzusehenden - Annahme eines "negativen" Antrags, eine bestimmte Handlung nicht vorzunehmen oder zu unterlassen.
Als Ergebnis ist also festzuhalten, dass die formal einwandfrei zustande gekommene Ablehnung eines Beschlussantrags mit Mehrheit oder infolge Stimmengleichheit ein Beschluss ist. Dieser kann zum einen aus sachlichen Gründen nichtig sein, er ist aber in jedem Fall anfechtbar, da nach Auffassung des BGH nur so für den antragstellenden Wohnungseigentümer ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 23.08.2001, V ZB 10/01