So sieht es auch das AG! Der Beschluss verstoße gegen den Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts. Der Verwalter habe den Wohnungseigentümern durch die Form der Einladung eine Teilnahme an der Versammlung im Ergebnis verwehrt. Das Einladungsschreiben habe den unzutreffenden Hinweis enthalten, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit geschaffen, eine Ein-Mann-Versammlung durchzuführen. Dies stelle sich im Ergebnis als Ausladung der Wohnungseigentümer dar. Denn für einen durchschnittlichen Eigentümer sei der Eindruck erweckt worden, die Teilnahme an der Versammlung durch die Wohnungseigentümer sei nicht gewünscht, weil der Verwalter die Versammlung mit den Vollmachten in seinem Büro abhalten und zu diesem Zweck eine "Ein-Mann-Versammlung" durchführen wolle. Jedenfalls hätten die Wohnungseigentümer die Einladung dahin verstehen können und müssen, dass ihnen die persönliche Teilnahme an der Versammlung verwehrt werde. Dem stehe nicht entgegen, dass ein ausdrückliches Verbot der Teilnahme nicht formuliert worden sei. Aus der Gesamtschau der Ladungsinhalte hätten die Wohnungseigentümer annehmen müssen, dass sie an der Versammlung nicht teilnehmen können, da diese im Büro des Verwalters stattfinden sollte, eine konkrete Versammlungsadresse nicht angegeben und die Versammlung auf 10 Uhr morgens anberaumt worden war.

Hinweis

  1. Die COVID-19-Pandemie hat für die Verwalter die Verwaltung erheblich erschwert. Sie müssen sich u. a. fragen, ob sie berechtigt sind, alle anfallenden Fragen in der Wohnungseigentumsanlage eigenständig zu beantworten, oder ob die Wohnungseigentümer über diese Fragen Beschlüsse fassen müssen. Meint ein Verwalter, seine Rechtsmacht erlaube es ihm nicht, eigenständig zu handeln, bedarf es einer Versammlung. So muss es im Fall gewesen sein bei der Genehmigung eines Vergleichs mit einem Bauträger – und der Verwalter hatte Recht! Denn die Genehmigung war grundsätzlich nicht eilbedürftig noch wäre der Verwalter im alten oder im neuen Recht berechtigt gewesen, die Entscheidung selbst zu treffen.
  2. Vor diesem Hintergrund bedurfte es einer Versammlung. Hier fragte sich im Herbst und im Winter 2020/21 – und wohl auch noch eine Zeit lang weiter – wie man hier vorgeht. Die bislang bekannt gewordenen Entscheidungen lassen sich insoweit wie folgt deuten:

    • Eine Versammlung scheidet aus, wenn das öffentliche Recht Versammlungen verbietet. In diesem Fall ist der Verwalter berechtigt, alle dringenden Entscheidungen zu fassen und muss die Wohnungseigentümer nicht beteiligen.
    • Eine Versammlung ist möglich, wenn das öffentliche Recht Versammlungen grundsätzlich erlaubt. In diesem Fall sind die weiteren öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu beachten, vor allen Dingen Hygiene- und Abstandsregelungen. Der Verwalter muss daher eine Versammlungsstätte auswählen, die diesen Anforderungen Rechnung trägt. In Berlin war es ein Spielplatz der Wohnungseigentumsanlage, in anderen Fällen mag es eine Halle sein.
    • Fraglich ist, ob der Verwalter eine Versammlungsstätte auswählen muss, die es erlaubt, dass potenziell alle Wohnungseigentümer unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen an der Versammlung teilnehmen. Dies ist nicht der Fall. Kommen erfahrungsgemäß nur wenige oder einige Wohnungseigentümer, so reicht es aus, eine Versammlungsstätte auszuwählen, die für diese Wohnungseigentümer eine Versammlung erlaubt und die den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Rechnung trägt. Kommen dann mehr Wohnungseigentümer als erwartet, bleibt allerdings nichts anderes übrig, als die Versammlung zu vertagen.
    • Sollten die Wohnungseigentümer zwischenzeitlich von der Möglichkeit nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG Gebrauch gemacht haben, haben sie also grundsätzlich die Onlineteilnahme an einer Präsenzversammlung erlaubt, kann auch dies ein Weg sein, die Versammlung in COVID-Zeiten zu erleichtern.
    • Möglich ist ferner eine Art "Online-Vorversammlung". Dabei versammeln sich die Wohnungseigentümer nur online und klären, wie sie gegenüber bestimmten Tagesordnungspunkten abstimmen wollen. Anschließend erteilen Sie dem Verwalter eine Vollmacht, diese Willensbildung im Rahmen einer echten Ein-Mann-Versammlung umzusetzen.
    • Schließlich ist auch – wie im Fall – eine "Vertreterversammlung" vorstellbar. Will der Verwalter so vorgehen, darf er den Wohnungseigentümern aber nicht suggerieren, sie müssten sich vertreten lassen und dürften nicht zur Versammlung selbst erscheinen. Indizien hierfür sind beispielsweise – wie im Fall – eine frühe Tageszeit, ein Feiertag als Versammlungstag, eine sehr kleine Versammlungsstätte oder eine unbekannte Adresse.

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