Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Einspruch kann in jeder Lage des Verfahrens bis zum Erlass einer gerichtlichen Entscheidung im ersten Rechtszug ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Wurden die Akten bereits an die StA oder das Gericht abgegeben, ist die Rücknahme gegenüber diesen zu erklären.
2. Der Einspruch kann grds. nur von demjenigen zurückgenommen werden, in dessen Recht er eingelegt wurde. Der Verteidiger bedarf für Rücknahme und Verzicht auf den Einspruch der ausdrücklichen Ermächtigung.
3. Die Form der Rücknahme entspricht derjenigen der Einlegung des Einspruchs.
4. Der Zustimmung der StA zur Rücknahme des Einspruchs bedarf es in der Praxis regelmäßig deshalb nicht, weil sie bei Verkehrsordnungswidrigkeiten an der HV nicht teilnehmen wird.
5. Die Rücknahme muss eindeutig und frei von Bedingungen erklärt werden.
6. Ohne Hinzutreten weiterer Indizien ist allein aufgrund der Zahlung der Geldbuße nicht von einer Rücknahme auszugehen.
7. Mit der Einspruchsrücknahme wird der Bußgeldbescheid sofort rechtskräftig und vollstreckbar.
8. Rücknahme und Verzicht sind grds. unwiderruflich und unanfechtbar.
9. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 136a StPO ist die Rücknahme wirkungslos, wenn die abgegebene Erklärung durch Täuschung oder Drohung veranlasst worden ist.
10. Ist trotz wirksamer Einspruchsrücknahme ein Sachurteil ergangen, ist dieses vom Rechtsbeschwerdegericht bei zulassungsfreier Rechtsbeschwerde klarstellend aufzuheben und das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen.
11. Der Übergang ins Strafverfahren schließt nach Erteilung des Hinweises nach § 81 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 eine Rücknahme des Einspruchs aus.
12. Der Betroffene kann vom Erlass des Bußgeldbescheids bis zum Ablauf der Einspruchsfrist auf den Einspruch verzichten. Ein zuvor vom Verteidiger erhobener Einspruch wird hierdurch wirkungslos.
13. Die Verbindung einer Verzichtserklärung mit dem Empfangsbekenntnis bei der Zustellung des Bußgeldbescheids ist möglich und sinnvoll, wenn ein sofortiger Rechtskrafteintritt bewirkt werden soll.
14. Ein Einspruchsverzicht nach einer verständnisgleichen Absprache ist unwirksam.
 

Rdn 970

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Einspruch, Allgemeines, Rdn 909.

 

Rdn 971

1. Der Einspruch kann ab seiner Einlegung in jeder Lage des Verfahrens bis zum Erlass einer gerichtlichen Entscheidung im ersten Rechtszug entweder durch Urteil (maßgeblicher Zeitpunkt: Beginn der mündlichen Urteilsverkündung; Göhler/Seitz/Bauer, § 71 Rn 6 f.) oder durch Beschluss nach § 72 (maßgeblicher Erlass-Zeitpunkt: Hinausgabe des Beschlusses durch die Geschäftsstelle zur Zustellung oder sonstigen Bekanntgabe, womit der gerichtliche Innenbereich verlassen wird; Göhler/Seitz/Bauer, § 71 Rn 6b; KK/Ellbogen, § 67 Rn 116; Krenberger/Krumm, § 67 Rn 51; BayObLGSt 2001, 53; → Beschlussverfahren, Rdn 437) gem. § 67 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 302 Abs. 1 S. 1 StPO ganz oder teilweise zurückgenommen werden.

 

Rdn 972

Die Zulässigkeit der Teilrücknahme richtet sich nach denselben Grundsätzen wie die Einspruchsbeschränkung (→ Einspruch, Beschränkung, Rdn 921). Die nur teilweise Rücknahme des Einspruchs gegen einzelne Bußgeldfestsetzungen, die lediglich bestimmte Einzelhandlungen ahnden, ist deshalb nur solange möglich, als die Entscheidung über eine einheitliche Tat nicht schon hinsichtlich aller Teilakte bestandskräftig geworden ist. Denn der Grundsatz, dass bei einer einheitlichen Tat das Rechtsmittel nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner Geschehnisse beschränkt werden kann, findet auch im Bußgeldverfahren Anwendung (BGHR OWiG § 85 Abs. 1 Zulässigkeit 1). Auch § 67 Abs. 2 setzt voraus, dass die einzelnen Beschwerdepunkte trennbar sind. Wird zunächst gegen sämtliche Bußgeldfestsetzungen Einspruch eingelegt, dieser dann aber teilweise wieder zurückgenommen, ist deshalb zu prüfen, ob selbstständige, gesondert anfechtbare Taten vorliegen. Nur soweit die Einspruchsrücknahme materiell-rechtlich selbstständige Taten betrifft, ist sie wirksam (BGHSt 58, 158 = NJW 2013, 1972 = wistra 2013, 391).

 

☆ Der grds. unwiderruflichen und unanfechtbaren Rücknahme steht nicht entgegen , dass der Einspruch an sich wegen Unzulässigkeit hätte verworfen werden müssen (Göhler /Seitz/Bauer , § 67 Rn 35; KK/ Ellbogen , § 67 Rn 97; Krenberger/Krumm , § 67 Rn 51).nicht entgegen, dass der Einspruch an sich wegen Unzulässigkeit hätte verworfen werden müssen (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 Rn 35; KK/Ellbogen, § 67 Rn 97; Krenberger/Krumm, § 67 Rn 51).

 

Rdn 973

2. Zur Rücknahme des Einspruchs berechtigt ist grds. nur derjenige, in dessen Recht er bereits eingelegt wurde, sofern keine besonderen Ermächtigungen erteilt wurden. Der Einspruch des gesetzlichen Vertreters kann demgemäß von dem Betroffenen erst nach Ende der Vertretung und Übergang der Einspruchsberechtigung auf ihn zurückgenommen werden. Nehmen nicht alle selbstständig Einspruchsberechtigten den Einspruch zurück, wird das Verfahren unter diesen selbstständig fortgeführt (BeckOK OWiG/Gertler, § 67 Rn 135 f...

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