Detlef Burhoff, Frédéric Schneider
Rdn 2263
Literaturhinweise:
Bohnert, Die Einstellungsbeschlüsse nach §§ 206a, 206b StPO, GA 1982, 166.
Rdn 2264
1. § 206a richtet sich seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur an das Gericht. Dieses kann das Verfahren außerhalb der HV durch Beschluss einstellen, wenn sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis herausstellt. Besteht das Verfahrenshindernis schon im Zwischenverfahren, lehnt das Gericht bereits die Eröffnung des Hauptverfahrens ab (zur Fortsetzung des Verfahrens, das wegen eines Verfahrenshindernisses zunächst eingestellt war, im Fall der Täuschung des Gerichts, BGHSt 52, 119; zur Einstellung eines Verfahrens wegen eines nach Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils eingetretenen Verfahrenshindernisses LG Bremen StV 2011, 531).
☆ Im EV ist § 206a für die StA nicht anwendbar. Sie stellt vielmehr bei Vorliegen eines nicht behebbaren Prozesshindernisses das Verfahren nach § 170 Abs. 2 ein (→ Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 , Teil E Rdn 2238 ).EV ist § 206a für die StA nicht anwendbar. Sie stellt vielmehr bei Vorliegen eines nicht behebbaren Prozesshindernisses das Verfahren nach § 170 Abs. 2 ein (→ Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2, Teil E Rdn 2238).
Rdn 2265
2. Da § 206a für das staatsanwaltschaftliche EV somit keine Bedeutung hat, wird wegen der Einzelh. auf Meyer-Goßner/Schmitt (§ 206a Rn 1 ff.) und insbesondere zum Begriff des "Verfahrenshindernisses" auf KK/Schneider (§ 206a Rn 15 m.w.N.) sowie auf die Stichwörter → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2278, mit Antragsmustern, Teil E Rdn 2304 f., und → Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2, Teil E Rdn 2238, verwiesen (s.a. Burhoff, HV, Rn 1714 ff.).
Rdn 2266
3. Hat das Gericht das Verfahren nach § 206a eingestellt, steht dem Angeklagten dagegen grds. kein Rechtsmittel zu, da er nicht beschwert ist (OLG Jena NStZ-RR 2006, 311 [Ls.]; OLG Celle MDR 1978, 160 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 206a Rn 10 m.w.N. zur a.A.; KK/Schneider, § 206a Rn 13). Auch der die Einstellung ablehnende Beschluss ist nicht anfechtbar. Für das Anfechtungsrecht des Nebenklägers gilt § 400 Abs. 2.
Rdn 2267
4. Wegen der Kosten und Auslagen ist auf § 467 zu verweisen. Nach dessen Abs. 3 S. 2 Nr. 2 kann das Gericht davon absehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen, was nach h.M. allerdings auf jeden Fall dann nicht gelten soll, wenn das Verfahrenshindernis von vornherein erkennbar war (Meyer-Goßner/Schmitt, § 467 Rn 18 m.w.N.; s.a. BVerfG NJW 2016, 861 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 474; NJW 2017, 2459 m. Anm. Burhoff RVGreport 2017, 316). Umstr. ist in der Rspr., ob die in § 467 Abs. 3 vorgesehene Ermessensentscheidung auch bereits dann gerechtfertigt ist, wenn im Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung noch ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten besteht (so z.B. u.a. BGH NJW 2000, 1427; KG StraFo 2012, 289 mit eingehender Darstellung des Streitstandes; [wohl auch] OLG Celle StraFo 2013, 526; NStZ-RR 2015, 30; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2002, 246; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; OLG Köln NStZ-RR 2010, 392 m.w.N.), oder ob sie erst in dem Fall begründet ist, wenn mit Sicherheit eine Verurteilung des Angeschuldigten zu erwarten gewesen wäre (dazu u.a. z.B. [aus früherer Zeit] OLG Düsseldorf StV 1998, LG Mainz StV 1998, 611, jeweils m.w.N.; → Auslagenerstattung im Ermittlungsverfahren, Teil A Rdn 784). Zutreffend dürfte die weitere Auffassung der neueren Rspr. sein, weil anderenfalls der Anwendungsbereich von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 auf Fälle beschränkt wäre, in denen ein Verfahrenshindernis in der HV erst nach dem letzten Wort eines Angeklagten zu Tage träte (so auch KG, a.a.O.; OLG Celle StraFo 2013, 526). Einig ist sich die Rspr. aber darin, dass in der Ermessensentscheidung eine Schuldzuweisung jedenfalls nicht erfolgen darf (u.a. BVerfG NJW 1992, 1612; 2016, 861; 2017, 2459; BGH NJW 2000, 1427; s. auch – z.T. für das Bußgeldverfahren – OLG Celle NStZ-RR 2015, 30; LG Köln, Beschl. v. 19.2.2021 – 120 Qs 16/21; LG Ulm, Beschl. v. 6.11.2020 – 2 Qs 46/20; AG Dillenburg VA 2012, 107).
☆ Wird das Verfahren wegen Todes des Beschuldigten eingestellt , kann ebenfalls davon abgesehen werden, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen (OLG Brandenburg, Beschl. V. 11.9.2023 – 1 Ws 96/23, AGS 2023, 526). Eine Erstattung der dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen kommt in diesem Fall nicht in Betracht (BGH StraFo 2009, 49).Todes des Beschuldigten eingestellt, kann ebenfalls davon abgesehen werden, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen (OLG Brandenburg, Beschl. V. 11.9.2023 – 1 Ws 96/23, AGS 2023, 526). Eine Erstattung der dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen kommt in diesem Fall nicht in Betracht (BGH StraFo 2009, 49).
Siehe auch: → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil R Rdn 2084, m.w.N.; → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2278.