Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" ist 2017 § 243 Abs. 5 S. 3 in die StPO eingefügt worden. |
2. |
§ 243 Abs. 5 S. 3 sieht das "Opening Statement" als ausdrückliches Recht des Verteidigers nur in (bestimmten) Verfahren vor dem LG/OLG vor. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass in anderen Verfahren, ein "Opening Statement" nicht zulässig ist. |
3. |
In § 243 Abs. 5 S. 3 ist ausdrücklich bestimmt, dass der Verteidiger auf Antrag in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG/OLG, in denen die HV voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit erhält, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag allerdings nicht vorwegnehmen darf. |
Rdn 1841
Literaturhinweise:
Sartorius, Opening Statement, affirmative Beweisanträge und Festschreibung des Sachverhalts, StraFo 2022, 90
s.a. die Hinw. bei → Erklärungen des Verteidigers, Allgemeines, Teil E Rdn 1834.
Rdn 1842
1.a) Durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" ist 2017 § 243 Abs. 5 S. 3 in die StPO eingefügt worden. Vor allem die Lit. ist bereits schon vor dieser Erweiterung (dazu Teil E Rdn 1845 ff.) davon ausgegangen, dass es dem Vorsitzenden im Rahmen seiner sich aus § 238 Abs. 1 ergebenden Sachleitungsbefugnis (→ Verhandlungsleitung, Teil V Rdn 3502) erlaubt ist/war, dem Verteidiger vor der → Vernehmung des Angeklagten zur Sache, Teil V Rdn 3751, (§ 243 Abs. 5 S. 2) Gelegenheit zu geben, für diesen eine zusammenhängende Erklärung abzugeben (Malek, Rn 233 ff.; Müller, S. 67 ff.; Wesemann StraFo 2001, 296; Scheffler, in: HBStrVf, Kapitel VII Rn 162 ff.; wohl a. Dahs, Rn 513; aber auch KK/Schneider, § 243 Rn 32). Ableiten ließ sich dieses Recht des Verteidigers aus § 257 (Wesemann, a.a.O.).
Rdn 1843
b) Demgemäß haben von diesem "Erklärungsrecht" – i.d.R. als sog. "Opening Statement" bezeichnet – Verteidiger in der Vergangenheit in geeigneten Fällen nach → Verlesung des Anklagesatzes, Teil V Rdn 3522, und der → Belehrung des Angeklagten, Teil B Rdn 651, auch Gebrauch gemacht. Dem ist/war zuzustimmen, denn i.d.R. führt dies u.a. zu einer Stärkung der Verfahrensrechte des Angeklagten. Denn meist ist der Verteidiger wesentlich besser als der Angeklagte in der Lage, die für die Verteidigung wesentlichen Punkte zusammenhängend darzustellen. Mit einer solchen Erklärung hat die Verteidigung zudem frühzeitig die Möglichkeit, den Blick der übrigen Verfahrensbeteiligten auf die aus ihrer Sicht entscheidenden Punkte der bevorstehenden Beweisaufnahme zu lenken und so auf ein gezieltes Verhandeln der Streitpunkte hinzuwirken. Zugleich bietet sie die Gelegenheit, dem Gericht und den anderen Verfahrensbeteiligten, aber auch der Öffentlichkeit, Einblick in die Sichtweise der Verteidigung zu geben (s.a. Sartorius StraFo 2022, 90, 93).
Rdn 1844
Die o.a. Auffassung der Lit. (Teil E Rdn 1842) unterstützte i. Ü. auch das schon seit längerem erkennbare Bestreben des Gesetzgebers, auch das Strafverfahren kommunikativer zu gestalten. Das hat sich in der Vergangenheit zuletzt z.B. auch bei der Einführung der Verständigungsregelung mit der Einführung der §§ 160b, 202a, 212, der sog. Erörterungstermine“, die der Vorbereitung einer Verständigung dienen (s. BT-Drucksache 16/12310, S. 2; → Erörterungen des Standes des Verfahrens, Teil E Rdn 1889) gezeigt. Dieses Bestreben ist dann erneut aufgegriffen worden in § 243 Abs. 5 S. 3 (Teil E Rdn 1845 ff.), der ebenfalls "die Kommunikation zu Beginn der Hauptverhandlung stärken [soll], um zu einer offenen und effizienten Verfahrensführung beizutragen." Dieser sieht nämlich nun – zumindest in bestimmten Verfahren (Teil E Rdn 1837) – die auf Antrag zu gewährende Gelegenheit vor, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben (dazu BT-Drucks. 18/11277, S. 33 f.; krit. SSW-StPO-Franke, § 243 Rn 25).
Rdn 1845
2.a) § 243 Abs. 5 S. 3 sieht das "Opening Statement" als ausdrückliches Erklärungsrecht (des Verteidigers; dazu aber Teil E Rdn 1848 f.) nur in (bestimmten) Verfahren vor dem LG/OLG vor. Der Referentenentwurf zum "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" (Ref-E, S. 40) wollte dieses Erklärungsrecht noch für alle Verfahren, und nicht nur für Verfahren vor dem LG/OLG einführen. Im Gesetzgebungsverfahren ist dann aber die Beschränkung auf erstinstanzliche Verfahren beim LG/OLG erfolgt. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass in anderen Verfahren, z.B. umfangreichen Verfahren vor dem (erweiterten) Schöffengericht beim AG oder in Berufungsverfahren, (nun) ein "Opening Statement" nicht (mehr) zulässig ist. Insoweit gilt vielmehr die bislang h.M. der Lit. fort, dass der Vorsitzende auch in den Verfahren ein "Opening Statement" zulassen kann (die Nach. bei Teil E Rdn 1842). Es besteht nur eben kein Recht, eine solche Erklärung abgeben zu dürfen (a. Teil E Rd...