Detlef Burhoff, Frédéric Schneider
Rdn 2334
Literaturhinweise:
Gillmeister, Rechtliches Gehör im Ermittlungsverfahren, StraFo 1996, 114
Meineke, Ermittlungsverfahren ohne Anhörung? Zur Unzulässigkeit der "Überraschungsanklage", StV 2015, 325
Meyer-Lohkamp/Solka, Eigene Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach Anklageerhebung, StV-S 2022, 78
Weigend, Sachverhaltserforschung durch die Staatsanwaltschaft – bis wann? StV 2024, 130
s.a. die Hinw. bei → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2279.
Rdn 2335
1.a) Anklage wird gem. § 170 Abs. 1 von der StA erhoben, indem die → Anklageschrift, Teil A Rdn 574, beim zuständigen Gericht eingereicht wird (zur erneuten Erhebung der Anklage nach rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahren [§ 211] → Eröffnungsbeschluss, Teil E Rdn 2409; zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) durch einen StA bei bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen EV, BGH, Beschl. v. 14.9.2017 – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312). Die Anklageerhebung ist gem. § 151 Prozessvoraussetzung für die gerichtliche Untersuchung. Rechtshängigkeit tritt jedoch erst mit der Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens durch Erlass des Eröffnungsbeschlusses ein (→ Eröffnungsverfahren, Teil E Rdn 2411, m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 170 Rn 4; § 156 Rn 1). Für die Erhebung der Anklage ist grds. erforderlich, dass die → Anklageschrift, Teil A Rdn 574, unterzeichnet ist (OLG München StraFo 2011, 226 m.w.N.; aber BGH, Beschl. v. 27.4.2020 – 5 StR 117/20, StV 2021, 771 [Ls.]). Die fehlende Unterschrift ist allerdings dann kein Verfahrenshindernis, wenn die Anklageschrift mit Wissen und Wollen des zuständigen StA zu den Akten gereicht worden ist (OLG München, a.a.O.).
☆ Ohne Anhörung des Beschuldigten nach § 163a Abs. 1 S. 1 spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen ist die Erhebung der Anklage nicht zulässig (OLG Celle, Beschl. v. 10.2.2023 – 2 Ws 336/22, NStZ 2023, 377; AG Dillingen, Beschl. v. 29.4.2019 – 306 Cs 303 Js 112693/19; AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 3.12.2019 – 412 Cs 166/19; a.A. LG Augsburg, Beschl. v. 9.5.2019 – 8 Qs 189/19; → Polizeiliche Vernehmung des Beschuldigten, Allgemeines , Teil P Rdn 3873 ff., m.w.N.). des Beschuldigten nach § 163a Abs. 1 S. 1 spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen ist die Erhebung der Anklage nicht zulässig (OLG Celle, Beschl. v. 10.2.2023 – 2 Ws 336/22, NStZ 2023, 377; AG Dillingen, Beschl. v. 29.4.2019 – 306 Cs 303 Js 112693/19; AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 3.12.2019 – 412 Cs 166/19; a.A. LG Augsburg, Beschl. v. 9.5.2019 – 8 Qs 189/19; → Polizeiliche Vernehmung des Beschuldigten, Allgemeines, Teil P Rdn 3873 ff., m.w.N.).
Rdn 2336
b) Mit Eingang der Anklageschrift bei Gericht ist das vorbereitende Verfahren beendet. Das hat u.a. die Folge, dass nun für gerichtliche Maßnahmen nach § 126 nicht mehr der Ermittlungsrichter, sondern nach § 126 Abs. 2 S. 1 das mit der Sache befasste Gericht zuständig ist. Entsprechendes gilt für Maßnahmen nach § 126a (OLG Bremen, Beschl. v. 21.5.2019 – 1 Ws 60/19).
☆ Mit der Zustellung der → Anklageschrift , Teil A Rdn 597 , wird eine Frist gesetzt, innerhalb der u.a. erklärt werden soll, ob Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erhoben werden sollen (zum rechtlichen Gehör im EV, insbesondere zum Anspruch auf eine Schlussanhörung, Gillmeister StraFo 1996, 117 f., s. noch OLG Celle, Beschl. v. 10.2.2023 – 2 Ws 336/22 NStZ 2023, 377). Das ist der späteste Zeitpunkt für den Verteidiger sich mit → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens , Teil E Rdn 2278 , zu befassen.Anklageschrift, Teil A Rdn 597, wird eine Frist gesetzt, innerhalb der u.a. erklärt werden soll, ob Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erhoben werden sollen (zum rechtlichen Gehör im EV, insbesondere zum Anspruch auf eine Schlussanhörung, Gillmeister StraFo 1996, 117 f., s. noch OLG Celle, Beschl. v. 10.2.2023 – 2 Ws 336/22 NStZ 2023, 377). Das ist der späteste Zeitpunkt für den Verteidiger sich mit → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2278, zu befassen.
Rdn 2337
2. Die Erhebung der Anklage hat für den Verteidiger gebührenrechtliche Folgen. Mit ihr ist das vorbereitende Verfahren beendet, sodass der Verteidiger, der erst nach Eingang der Anklageschrift bei Gericht tätig wird, nicht mehr die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) verdient. Alle Tätigkeiten, die nach dem Eingang der Anklageschrift bei Gericht entfaltet werden, führen (nur noch) zum Entstehen der Gebühr Nr. 4106 VV RVG (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4104 Rn 4 ff.).
Siehe auch: → Anklageschrift, Teil A Rdn 574; → Rücknahme der Anklage, Teil R Rdn 4232.