Das Wichtigste in Kürze:

1. Bis zur Akteneinsicht muss Mandanten auf jeden Fall zum Tatvorwurf zu schweigen.
2. Lehnt der Betroffene jede Äußerung zur Sache ab, verweigert er also in vollem Umfang Angaben zum Tatvorwurf, dürfen hieraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden.
3. Der Verteidiger sollte auch im weiteren Verlauf des Verfahrens einzelfallabhängig prüfen, ob das Schweigen des Betroffenen nicht auch nach der erfolgten Akteneinsicht ratsam ist.
4. Ist die Entscheidung zugunsten einer Einlassung gefallen, sollten Verteidiger und Betroffener genau prüfen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form diese abgegeben werden soll.
5. Die Einlassung des Betroffenen muss in den Urteilsgründen mitgeteilt werden.
 

Rdn 894

 

Literaturhinweise:

Brenner, Die Selbstbelastungsfreiheit: Grundsatz und Ausnahmen – zugleich Besprechung des Beschlusses des BVerfG vom 25. Januar 2022 (DAR 2022, 624 in diesem Heft), DAR 2022, 615

Burhoff, Einlassungsverhalten des Beschuldigten, PStR 2002, 176

Eschelbach, Erklärungen des Verteidigers zur Sache in der Hauptverhandlung, ZAP F. 22, S. 711

Fröhlich, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – Keine Kommunikation im Ermittlungsverfahren?. StraFo 2022, 46

Fromm, Risiken einer bewusst falschen Benennung des angeblichen Fahrzeugführers, DV 2015, 17

Gillmeister, Rechtliches Gehör im Ermittlungsverfahren, StraFo 1996, 114

Keiser, Die Anwendung des "nemo-tenetur-Grundsatzes" auf das Prozessverhalten des Angeklagten, StV 2000, 633

Kohlhaas, Schlüsse aus dem Schweigen des Beschuldigten, NJW 1965, 2282

May/T. Schneider, Falsche Geständnisse in polizeilichen Vernehmungen: Wie oft, warum und mit welchen Folgen gestehen Beschuldigte falsch, StV 2022, 469

Michel, Einlassung durch den Anwalt?, MDR 1994, 648

Miebach, Der teilschweigende Angeklagte – materiell-rechtliche und prozessuale Fragen anhand der BGH-Rechtsprechung, NStZ 2000, 234

ders., Die Beweiswürdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten in der Hauptverhandlung, NStZ-RR 2018, 265

ders., Die Verteidigung des schweigenden Angeklagten, NStZ 2019, 318

Mitsch, Bußgeldvereitelung durch Selbstbezichtigung gegenüber der Verkehrsbehörde, NZV 2016, 564

Niehaus, Strafbare Veranlassung der unwahren Selbstbezichtigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren?, DAR 2015, 720

Park, Die prozessuale Verwendbarkeit verschiedener Formen der Beschuldigteneinlassung im Strafverfahren, StV 2001, 589

Prüfer, Das fragwürdige Geständnis, StV 1998, 232

H. Schneider, Zur strafprozessualen Verwertbarkeit des Schweigens von Beschuldigten – Allgemeiner Teil – NStZ 2017, 73

ders., Zur strafprozessualen Verwertbarkeit des Schweigens von Beschuldigten – Besonderer Teil – NStZ 2017, 126

Zeyher, Teilschweigen und Verteidigererklärung im Lichte der Selbstbelastungsfreiheit, StV-S 2022, 118

s. auch noch die Hinw. bei Burhoff, EV, Rn 2018.

 

Rdn 895

1. Der Verteidiger muss seinem Mandanten zunächst den Rat geben, gegenüber der Verwaltungsbehörde zum Tatvorwurf vollständig zu schweigen. Dabei sollte er ihm erklären, dass der Gebrauch des Schweigerechts (vgl. Rdn 897) etwas anderes ist, als die Tat zu bestreiten.

 

☆ Der Betroffene sollte sich gegenüber der Verwaltungsbehörde oder ggf. auch bei einer Vernehmung vor Gericht auf den Satz beschränken , Ich sage dazu nichts oder Ich mache von meinem Schweigerecht Gebrauch .beschränken, "Ich sage dazu nichts" oder "Ich mache von meinem Schweigerecht Gebrauch".

 

Rdn 896

Ob eine Einlassung später abgegeben werden soll und wenn ja, in welchem Umfang, kann erst entschieden werden, wenn die Bußgeldakte vom Verteidiger eingesehen worden ist (→ Akteneinsicht, Allgemeines, Rdn 144; → Verteidigung im OWi-Verfahren, allgemeine Verteidigerhinweise, Rdn 3966 ff.).

 

☆ Ohne Kenntnis der Akten, sprich ohne Akteneinsicht , wird der Verteidiger seinem Mandanten weder raten sich zur Sache einzulassen noch wird er selbst eine Stellungnahme für den Mandanten abgegeben. Tut er dies doch, ist das fehlerhaft (vgl. Burhoff StV 1997, 432).ohne Akteneinsicht, wird der Verteidiger seinem Mandanten weder raten sich zur Sache einzulassen noch wird er selbst eine Stellungnahme für den Mandanten abgegeben. Tut er dies doch, ist das fehlerhaft (vgl. Burhoff StV 1997, 432).

 

Rdn 897

2.a) Lehnt der Betroffene jede Äußerung zur Sache ab, verweigert er also in vollem Umfang Angaben zum Tatvorwurf, dürfen hieraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden (KK/Lutz, § 55 Rn 17; BVerfG NJW 1996, 449; BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – 2 StR 334/17, NStZ 2018, 229 = StV 2018, 221 m.w.N.; StraFo 1998, 346; Beschl. v. 1.6.2022 – 1 StR 139/22, StraFo 2022, 357; KG NJW 2010, 2900 = VRR 2010, 313 = StRR 2010, 396; OLG Brandenburg NStZ-RR 2015, 53 m. Anm. Schulz-Merkel StRR 2015, 103; OLG Dresden zfs 2016, 594 für Einlassung in der HV; weit. Nachw. bei Burhoff, EV, Rn 2026 ff.). Aufgrund des sich aus §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs. 5 S. 1 StPO ergebenden (verfassungsrechtlichen) Nemo-Tenetur-Grundsatzes ist ein Betroffener nicht verpflichtet, die Aufklärung des gegen ihn erhobenen OWi-Vorw...

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