Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Rdn 1707
Literaturhinweise:
Bischoff/Kusnik/Bünnigmann, Die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten im Strafverfahren, StraFo 2015, 222
Krause, Die vorläufige Einstellung von Strafsachen praeter legem, GA 1969, 97
Rieß, Beschwerdebefugnis des Nebenklägers bei vorläufiger Verfahrenseinstellung nach § 205 StPO, NStZ 2001, 355
s.a. die Hinw. bei → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil E Rdn 1641.
Rdn 1708
1. Nach § 205 kann bei vorübergehenden Hindernissen tatsächlicher oder rechtlicher Art das Verfahren (vorläufig) eingestellt werden. Die Vorschrift wurde früher in jeder Lage des Verfahrens angewendet, obwohl sie dem Wortlaut nach nur für die HV gilt (s. Nr. 104 RiStBV; Krause GA 1969, 97). Für das EV ist durch das 2. OpferRRG v. 29.7.2009 dann aber § 154f eingeführt worden, der jetzt dort die frühere entsprechende Anwendung der Vorschrift überflüssig macht (zur Einstellung nach § 154f im EV Burhoff, EV, Rn 2226 ff.).
Rdn 1709
2.a) Hauptanwendungsfall des § 205 ist die – für längere Zeit bestehende – Abwesenheit des Angeklagten, z.B. infolge Flucht (zum Begriff der Abwesenheit s. § 276) oder auch Abschiebung (OLG Brandenburg NStZ-RR 2005, 49 [für Einstellung im Revisionsverfahren]). Angewendet werden kann § 205 auch bei anderen vorübergehenden, in der Person des Angeklagten liegenden Hindernissen. Dazu zählt die (vorübergehende) Verhandlungsunfähigkeit (BGH NStZ 1996, 242; u.a. StraFo 2015, 222 ff.; zum Begriff → Verhandlungsfähigkeit, Allgemeines, Teil V Rdn 3479), und zwar auch dann, wenn der Angeklagte sich weigert, eine bestehende Krankheit behandeln zu lassen, sofern die Möglichkeit der Besserung gegeben ist (LG Nürnberg-Fürth NJW 1999, 1125). Hat der Angeklagte die Verhandlungsunfähigkeit selbst herbeigeführt, gilt § 231a (→ Verhandlungsfähigkeit, selbst herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit, Teil V Rdn 3491; s.a. dazu LG Nürnberg-Fürth, a.a.O.). Bei einem Ausländer kann die Anwendung von § 205 in Betracht kommen, wenn er in seine Heimat zurückgekehrt ist (OLG Koblenz VRS 68, 364) und seine Gestellung unmöglich ist (BGHSt 37, 145 f.). Das Verfahren kann ggf. auch bis zum Ende einer Pandemie vorläufig eingestellt werden, wenn der Angeklagte aus dem Ausland einreisen und Quarantänezeiten über sich ergehen lassen müsste (AG Dortmund, Beschl. v. 21.1.2021 – 767 Ls 64/19, DAR 2021, 222 für Einreise aus Italien während der der COVID-19-Pandemie).
Rdn 1710
b) Ob § 205 bei nicht in der Person des Beschuldigten liegenden Hindernissen, z.B. Unauffindbarkeit eines wesentlichen Zeugen, entsprechend angewendet werden kann, ist umstritten. Teilweise wird das bejaht (BGH NStZ-RR 2013, 251; Meyer-Goßner/Schmitt, § 205 Rn 8 m.w.N.) von der wohl überwiegenden Meinung (BGH NStZ 1985, 230; OLG Düsseldorf JR 1984, 436; OLG Frankfurt am Main NStZ 1982, 218 [für Vernehmungsunfähigkeit eines Zeugen]; OLG Hamm NJW 1998, 1088; OLG Koblenz StV 1993, 513; OLG München NJW 1978, 176; OLG Schleswig StraFo 1999, 126; SchlHA 2003, 191 [Dö/Dr]; OLG Stuttgart StV 2001, 667 [keine Einstellung bis zur Erlangung der notwendigen Verstandesreife einer Zeugin, wenn der Vormund für die minderjährige Zeugin vom ZVR Gebrauch macht]; LG Cottbus NStZ-RR 2009, 246; LG Düsseldorf StV 2008, 348 [für Zwischenverfahren]) hingegen verneint (offen gelassen von OLG Celle, Beschl. v. 24.4.2015 – 2 Ws 44/15). Für das Revisionsverfahren hat das OLG Celle das Vorliegen der Voraussetzungen des § 205 verneint, wenn der Angeklagte nach Einlegung der Revision dauerhaft seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat (OLG Celle Nds.Rpfl 2012, 18).
☆ Der Rspr. ist m.E. zumindest dann zu folgen, wenn der Zeuge bereits vernommen worden ist. Eine Einstellung des Verfahrens kommt dann i.d.R. nicht (mehr) in Betracht, vielmehr ist die frühere Aussage des Zeugen nach § 251 zu verlesen ( Meyer-Goßner/Schmitt , a.a.O.; BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.; ähnl. Rose NStZ 1999, 263 in der Anm. zu OLG Hamm, a.a.O.; → Verlesung von Protokollen, Protokolle und Urkunden aller Art , Teil V Rdn 3626 ; → Verlesung von Protokollen, richterliche Vernehmungsprotokolle , Teil V Rdn 3657 ). Die Möglichkeit scheidet aber ggf. aus, wenn der Angeklagte/Verteidiger noch keine Gelegenheit hatte, den Zeugen konfrontativ zu befragen (OLG Celle, Beschl. v. 24.4.2015 – 2 Ws 44/15).frühere Aussage des Zeugen nach § 251 zu verlesen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.; ähnl. Rose NStZ 1999, 263 in der Anm. zu OLG Hamm, a.a.O.; → Verlesung von Protokollen, Protokolle und Urkunden aller Art, Teil V Rdn 3626; → Verlesung von Protokollen, richterliche Vernehmungsprotokolle, Teil V Rdn 3657). Die Möglichkeit scheidet aber ggf. aus, wenn der Angeklagte/Verteidiger noch keine Gelegenheit hatte, den Zeugen konfrontativ zu befragen (OLG Celle, Beschl. v. 24.4.2015 – 2 Ws 44/15).
Rdn 1711
3. Das Gericht wird von der Möglichkeit der Einstellung nach § 205 nur dann Gebrauch machen, wenn das Hindernis für längere Zeit besteht. Sonst kann ggf. einfaches Warten genügen (krit...