Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Einspruch kann schriftlich oder zur Niederschrift der den Einspruch erlassenden Verwaltungsbehörde eingelegt werden; gegenüber der Formstrenge des Rechtsmittelverfahrens bestehen z.T. erhebliche Erleichterungen.
2. Insbesondere die Zulässigkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail ist in Rechtsprechung und Literatur aber weiterhin ein Streitpunkt.
3. Für die im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren allerdings unübliche und sogar telefonisch zulässige Einspruchseinlegung zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde gelten keine strengen Protokollierungsanforderungen. Die Verwaltungsbehörde ist zur Aufnahme der Niederschrift verpflichtet.
 

Rdn 942

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Einspruch, Allgemeines, Rdn 910.

 

Rdn 943

1. Nach § 67 Abs. 1 S. 1 ist der Einspruch wahlweise schriftlich oder zur Niederschrift bei der den Bußgeldbescheid erlassenden Verwaltungsbehörde (→ Einspruch, Allgemeines, Rdn 909) einzulegen.

 

Rdn 944

2.a) Das Schriftformerfordernis ist gewahrt, wenn das bei der Verwaltungsbehörde eingegangene und in deutscher Sprache (§ 46 Abs. 1 i.V.m. § 184 GVG; zur Anerkennung von Ausnahmen s. BeckOK OWiG/Gertler, § 67 Rn 77 ff.) verfasste Dokument dem Einspruchsführer zugeordnet und aus seinem Erklärungsinhalt – ggf. im Wege der Auslegung – unzweifelhaft der Anfechtungswille (s. hierzu näher → Einspruch, Allgemeines, Rdn 909) des Verfassers ersichtlich ist, was etwa bei einem bloßen Entwurf noch nicht der Fall ist, während die Angabe eines die Zuordnung erleichternden Aktenzeichens entbehrlich ist (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 Rn 19 f.; BeckOK OWiG/Gertler, § 67 Rn 66). Andererseits kann es für die Wahrung der Schriftform z.B. nicht ausreichen, wenn der Betroffene seine als Einspruch zu wertende Erklärung, "die Gebühr mangels Verwarnung nicht bezahlen" zu wollen, in der für den Verwendungszweck vorgesehenen Zeile eines Überweisungsträgers niederlegt und diese Erklärung dann im Rahmen des banküblichen Buchungsverkehrs elektronisch an die Verwaltungsbehörde gelangt (AG Lüdinghausen NZV 2010, 424).

 

Rdn 945

b) Nach herrschender Auffassung ist Schriftform nicht notwendig mit Unterschriftsform (vgl. z.B. § 126 Abs. 1 BGB) gleichzusetzen, weshalb es genügt, dass aus dem Inhalt oder auch nur der Kopie eines handschriftlich verfassten Dokuments oder auch bei Verwendung eines Faksimiles die Person, von der die Erklärung mit Wissen und Wollen ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden kann (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 Rn 19 f.; KK/Ellbogen, § 67 Rn 63; BeckOK OWiG/Gertler, § 67 Rn 66).

 

Rdn 946

c) Bei einem Rechtsanwalt genügt für die hinreichende Bezeichnung der Urheberschaft bei versehentlich unterlassener Unterzeichnung ein mit Schreibmaschine oder Drucker erstelltes Diktatzeichen i.V.m. dem Briefkopf der Kanzlei auch in Form einer Kopie (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 Rn 19 f.; Junker/Veh VRR 2006, 9, 12; KK/Ellbogen, § 67 Rn 63). Dies ist erst recht anzunehmen, wenn die Existenz einer Verteidigervollmacht "anwaltlich versichert" und der Rechtsanwalt mit Einlegung des Einspruchs in der Sache tätig wird (AG Nauen DV 2013, 105 m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 22/2013 Anm. 6; OLG Hamm VRS 109 [2005], 266) oder auf sonstige Weise das Verteidigerverhältnis ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht im Verwaltungsverfahren zweifelsfrei angezeigt wird (OLG Köln VRR 2011, 475 [Burhoff] m. Anm. Krenberger jurisPR-VerkR 5/2012 Anm. 6; vgl. auch BVerfG NJW 2012, 141 = VRR 2011, 428 = StRR 2011, 426 [Burhoff]; VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. 28.1.2021 – VGH B 71/20, NJW 2021, 2505 = DAR 2021, 387 = zfs 2021, 173). Wird der Einspruch elektronisch übermittelt, ist die einfache Signatur (Wiedergabe des Namens am Ende des Textes) bei der Übermittlung von Dokumenten gemäß der zweiten Variante des § 32 a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist (OLG Braunschweig, Beschl. v. 9.6.2023 – 1 Orbs 22/23, NStZ 2023, 639 = VRR 9/2023, 19).

 

Rdn 947

d) Neben dem klassischen Papierbrief kommen für die formgerechte Einlegung des Einspruchs als weitere dem Schriftformerfordernis genügende oder ihm jedenfalls gleichwertige Übertragungen grds. in Betracht (Göhler/Seitz/Bauer, § 67 Rn 21 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 41a Rn 1 ff.; Burhoff, HV, Rn 668 ff.; KK/Ellbogen, § 67 Rn 64 f.):

 

Rdn 948

Übersicht: "Schriftformersatz"

Telefax bzw. Telekopie oder Telebrief (OLG Brandenburg NStZ 2005, 711 m.w.N.);
Telegrafische Einlegung, Fernschreiben, Telegramm (BVerfG NJW 1987, 2067; BGHSt 31, 7, 9);
Computerfax (GmS-OGB NJW 2000, 2340; BGH NJW 2006, 3784; OLG Oldenburg NJW 2009, 536 = StRR 2008, 465 [Burhoff]: Behandlung eines über einen Internet-Dienst an das Gericht übersandten Faxschreibens wie ein vom Absender selbst versandtes Computerfax, mit welchem auch ohne übermittelten Namenszug grds. eine Berufung eingelegt werden kann);
Formgerechte E-Mail i.S.d. § 110c i.V.m. § 32a StPO, d.h. nicht durch einfache E-Mail (Hartmann, NJW 2006, 1390...

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