Detlef Burhoff, Frédéric Schneider
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
§ 154f ist durch das 2. OpferRRG v. 29.7.2009 in die StPO eingefügt worden. |
2. |
Die Vorschrift gilt, solange die Anklage noch nicht erhoben worden ist. |
3. |
§ 154f räumt der StA Ermessen hinsichtlich der Einstellung ein. |
4. |
§ 154f hat die Praxis und Rspr. zu § 205 übernommen. |
5. |
Von besonderer Bedeutung sind für den Verteidiger die Fragen, was er bei der Abfassung eines Antrags/einer Anregung zur Einstellung nach § 154f beachten sollte, welche kostenrechtlichen Auswirkungen eine Einstellung nach § 154f hat und schließlich, welche Rechtsmittel ggf. zur Verfügung stehen. |
Rdn 2227
Literaturhinweise:
Bischoff/Kusnik/Bünnigmann, Die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten im Strafverfahren, StraFo 2015, 222
Krause, Die vorläufige Einstellung von Strafsachen praeter legem, GA 1969, 97
Rieß, Beschwerdebefugnis des Nebenklägers bei vorläufiger Verfahrenseinstellung nach § 205 StPO, NStZ 2001, 355
s.a. die Hinw. bei → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil E Rdn 2085.
Rdn 2228
1. Bis 2009 sah die StPO keine Vorschrift vor, die es der StA ermöglichte, das Verfahren bei Abwesenheit des Beschuldigten oder bei einem in seiner Person liegenden Hindernis, dass der Eröffnung oder Durchführung des Hauptverfahrens entgegenstand, (vorläufig) einzustellen. Die Praxis hat sich bis dahin mit einer entsprechenden Anwendung von § 205 geholfen, der an sich aber nur für das gerichtliche Verfahren gilt (→ Einstellung des Verfahrens durch das Gericht wegen Abwesenheit des Angeschuldigten oder anderer Hindernisse, Teil E Rdn 2253; Krause GA 1969, 97; Meyer-Goßner/Schmitt, § 205 Rn 3; Nr. 104 Abs. 1 RiStBV). Diese Lücke hat 2009 dann das 2. OpferRRG durch die Einfügung des § 154f geschlossen (dazu BT-Drucks. 16/12098, S. 33 f.). Dieser hat die bis dahin geltende Praxis im Zusammenhang mit der Einstellung des Verfahrens bei Abwesenheit des Beschuldigten unmittelbar in die StPO übernommen (BT-Drucks. 16/12098, a.a.O.).
Rdn 2229
2. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 154f ist wie folgt bestimmt: Die Vorschrift gilt, solange die Anklage noch nicht erhoben worden ist (→ Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2333). Nach → Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2333, gilt § 205 (→ Einstellung des Verfahrens nach § 205 durch das Gericht wegen Abwesenheit des Angeschuldigten oder anderer Hindernisse, Teil E Rdn 2253). Kommt es nach Erhebung der Anklage zur → Rücknahme der Anklage, Teil R Rdn 4232), gilt wieder § 154f (BT-Drucks. 16/12098, S. 33).
☆ Nach einer Einstellung gem. § 154f ist, wenn das Hindernis weggefallen ist, die Fortsetzung des Verfahrens jederzeit möglich. Dazu ist ein besonderer Beschluss nicht erforderlich. Ausreichend sein kann, dass die StA weitere Ermittlungen unternimmt oder die Anklage erhebt.Fortsetzung des Verfahrens jederzeit möglich. Dazu ist ein besonderer Beschluss nicht erforderlich. Ausreichend sein kann, dass die StA weitere Ermittlungen unternimmt oder die Anklage erhebt.
Rdn 2230
3. § 154f räumt der StA Ermessen ein; die Vorschrift ist ausdrücklich – anders als Nr. 104 Abs. 1 RiStBV – mit "kann" formuliert. Bei der Ausübung des Ermessens hat sich die StA u.a. von folgenden Überlegungen leiten zu lassen (BT-Drucks. 16/12098, S. 34; auch noch Teil E Rdn 2233 und Teil E Rdn 2235): Sie muss immer prüfen, ob es ausreicht, das Verfahren nach § 154f einzustellen oder ob nicht doch Anklage erhoben werden muss. Sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, weil z.B. der Beschuldigte wegen seiner Abwesenheit oder aus sonstigen Gründen noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (→ Abschluss der Ermittlungen, Teil A Rdn 120), wird die StA bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen i.d.R. nach § 154f zu verfahren haben (BT-Drucks. 16/12098, a.a.O.). Es kann aber auch die Lage bestehen, dass zwar die öffentliche Klage erhoben werden könnte, jedoch erkennbar ist, dass das Hauptverfahren nicht eröffnet oder die HV nicht durchgeführt werden kann, z.B. weil dem – nach seiner Vernehmung im EV unbekannt verzogenen – Beschuldigten die Anklageschrift nicht zugestellt werden kann oder der Beschuldigte aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage ist, an einer HV teilzunehmen. In diesen Fällen muss die StA prüfen, ob sie die öffentliche Klage erhebt (BT-Drucks. 16/12098, S. 34).
☆ In dem Zusammenhang ist von Bedeutung und auch vom Verteidiger zu beachten, dass nach § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB (nur) der auf § 205 beruhende gerichtliche Einstellungsbeschluss verjährungsunterbrechende Wirkung hat.verjährungsunterbrechende Wirkung hat.
Rdn 2231
4. § 154f hat die Praxis und Rspr. zu § 205 übernommen (BT-Drucks. 16/12098, S. 33). Das bedeutet, dass für § 154f im Wesentlichen das gilt, was in der Vergangenheit für die entsprechende Anwendung des § 205 maßgeblich war. Im Einzelnen:
Rdn 2232
Hauptanwendungsfall des § 154f ist die für längere Zeit bestehende Abwesenheit des Beschuldigten (Flucht) oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis. Dazu gehören insbesondere die (vorübergehende) Verhandlungsunfähigkeit (B...