Leitsatz
a) Steht die von den Parteien einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzte Wohnung in dem Alleineigentum eines der Partner, so beruht die Einräumung der Mitnutzung an den anderen Partner im Zweifel auf tatsächlicher, nicht auf vertraglicher Grundlage. Der Abschluss eines Leihvertrags über den gemeinsam genutzten Wohnraum ist zwischen den Partnern zwar grundsätzlich möglich. Zu seiner Annahme bedarf es jedoch besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte, die erkennbar werden lassen, dass die Partner gerade die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung aus ihrem wechselseitigen tatsächlichen Leistungsgefüge ausnehmen und rechtlich bindend regeln wollen.
b) Wird für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Dritter zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten bestellt und für diese Bereiche ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, so kann der Betreuer, wenn der Betreute in ein Pflegeheim umzieht, von dem anderen Partner gemäß § 985 BGB die Herausgabe der im Alleineigentum des Betreuten stehenden und bis dahin gemeinsam genutzten Wohnung verlangen. Dies gilt dann nicht, wenn die Partner generell oder für diesen Fall eine anderweitige und auch den Betreuer bindende rechtliche Regelung (etwa durch Einräumung eines Wohnrechts) getroffen haben.
c) Vom Zeitpunkt des Umzugs des Betreuten und dem Herausgabeverlangen seines Betreuers an ist der in dem Haus verbliebene Partner gemäß § 987 BGB zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 985-987, 1896, 1901-1903
Kommentar
Die Eigentümerin eines Hauses bewohnte zusammen mit ihrem Lebensgefährten seit dem Jahr 1987 die im ersten Obergeschoss des Gebäudes gelegenen Räume. Im Jahr 2000 erkrankte die Eigentümerin an Demenz. Das Vormundschaftsgericht bestellte für die Eigentümerin eine Betreuerin für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge und der Aufenthaltsbestimmung. Seit Februar 2001 lebt die Eigentümerin in einem Pflegeheim. Der Lebensgefährte der Eigentümerin nutzte weiterhin die bisherige Wohnung. Die Betreuerin hat den Lebensgefährten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung und auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit ab März 2001 bis zur Räumung in Anspruch genommen.
Die Klage hatte Erfolg: Der Herausgabeanspruch ergibt sich in Fällen dieser Art aus § 985 BGB. Nimmt ein Eigentümer einen Lebensgefährten in die ihm gehörende Wohnung auf, geschieht dies nach Ansicht des BGH grundsätzlich nicht auf vertraglicher Grundlage (etwa einer Leihe), sondern auf einer rein tatsächlichen Gestattung der Mitbenutzung. Die Parteien können zwar einen Leihvertrag abschließen; hierfür müssen aber konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Anders als dem Ehepartner steht dem Lebensgefährten auch kein gesetzliches Recht auf einen eigenständigen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung zu. Daraus folgt ohne Weiteres, dass der Lebensgefährte die Wohnung verlassen muss, wenn der Eigentümer dies will. Hat das Vormundschaftsgericht für den Eigentümer eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge angeordnet, geht das Bestimmungsrecht betreffend die Wohnungsangelegenheiten auf den Betreuer über. Der Betreuer kann dann anstelle des Eigentümers die Herausgabe verlangen.
Aus dieser Rechtslage ergibt sich auch, dass der in der Wohnung verbliebene Partner eine Nutzungsentschädigung zahlen muss, wenn er den Herausgabeanspruch nicht erfüllt (§§ 987, 990 BGB). Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ist die Wohnung mangelhaft, so ist die Entschädigung gemindert.
Die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft können diese Rechtsfolgen vermeiden, wenn sie die Wohnungsnutzung vertraglich regeln. Insbesondere kann der Eigentümer seinem Partner ein unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit einräumen. Ein solcher Vertrag ist als Leihvertrag zu bewerten, der nach der Rechtsprechung des BGH auch formlos möglich ist (BGH, Urteil v. 11.12.1981, V ZR 247/80, NJW 1982, 820; BGH, Urteil v. 20.6.1984, IVa ZR 84/83, NJW 1985, 1553).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 30.04.2008, XII ZR 110/06BGH, Urteil v. 30.4.2008, XII ZR 110/06, NJW 2008, 2333 m. Anm. Schober = FamRB 2008, 274