Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Denn mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben. Dies ist im Regelfall mit dem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG und dem Kindeswohl vereinbar. Dabei hat der Gesetzgeber an die zahlreichen sozialstaatlichen Leistungen und Regelungen angeknüpft, insbesondere an den Anspruch des Kindes auf den Besuch einer Tageseinrichtung (§ 24 Abs. 1 SGB VIII), die den Eltern auch dabei behilflich sein sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.
Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenzen, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist. Die Möglichkeit der Fremdbetreuung muss tatsächlich existieren, sie muss zumutbar und für den betreuenden Elternteil verlässlich sein und mit dem Kindeswohl in Einklang stehen.
Die Betreuung des Kindes durch nahestehende Angehörige des Unterhalt begehrenden Ehegatten kann mangels Anspruchsgrundlage grundsätzlich nicht eingefordert werden, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Wird sie tatsächlich erbracht, handelt es sich um eine freiwillige Leistung Dritter, die unterhaltsrechtlich zunächst nicht erheblich ist. Da sie jederzeit eingestellt werden könnte, liegt keine verlässliche Fremdbetreuung vor. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn eine andere Fremdbetreuung erreichbar und zumutbar ist, aber nicht in Anspruch genommen wird, weil die Betreuung durch Familienangehörige bevorzugt wird.
Das Angebot des unterhaltspflichtigen Ehegatten, die Betreuung des Kindes über den Umgang hinaus zu übernehmen, kann – nach umstrittener Auffassung – unterhaltsrechtlich nicht ignoriert werden. Je umfangreicher diese anteilige Betreuung wäre, umso weitreichender ist die Obliegenheit, eine Beschäftigung aufzunehmen. Es steht aber zu erwarten, dass Ehegatten trefflich darüber streiten werden, ob die Mitbetreuung durch den anderen Ehegatten eine verlässliche, im Einklang mit dem Kindeswohl stehende Möglichkeit ist. Dieser Streit wird sich verschärfen, wenn statt des unterhaltspflichtigen Ehegatten dessen Lebensgefährtin stellvertretend für ihn an der Betreuung mitwirken soll. Eine verlässliche Betreuung durch den anderen Elternteil kann jedenfalls dann nicht bejaht werden, wenn in der Vergangenheit nicht einmal ein regelmäßiger unbegleiteter Umgang mit dem Kind stattgefunden hat.
In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres fremdbetreut wird oder werden könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist deswegen stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Einrichtungen gesichert werden könnte. Auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes kommt es erst dann nicht mehr an, wenn das Kind ein Alter erreicht hat, in dem es zeitweise sich selbst überlassen werden kann und deswegen auch keiner durchgehenden persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf.
Soweit demgegenüber in Rechtsprechung und Literatur zu der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des § 1570 BGB zunächst abweichende Auffassungen vertreten worden sind, die an das frühere Altersphasenmodell anknüpfen und eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein vom Kindesalter abhängig machen, waren diese im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht haltbar.
Neben der grundsätzlichen Betreuungsbedürftigkeit minderjähriger Kinder können allerdings auch sonstige kindbezogene Gründe, wie beispielsweise schwere Krankheiten, die im Rahmen einer Betreuung in kindgerechten Einrichtungen nicht aufgefangen werden können, für eine eingeschränkte Erwerbspflicht und damit für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen. Auch insoweit sind die individuellen Umstände des jeweiligen Falles zu beachten. So besteht z. B. bei fortgeschrittenem Alter eines autistischen Kindes keine Verpflichtung des betreuenden Elternteils zur Vollzeittätigkeit, wenn ein deutlich erhöhter Förderungsbedarf des Kindes besteht.
Aus kindbezogenen Gründen ist dem betreuenden Elternteil deswegen eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, soweit die Betreuung des Kindes unter Berücksichtigung aller Umständ...