Ein Unterhaltsanspruch ist gemäß § 1579 BGB zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, wenn einer der in den Nrn. 1 bis 8 aufgeführten Härtegründe vorliegt. Die Verwirkungstatbestände sind über § 1361 Abs. 3 BGB auf den Trennungsunterhalt entsprechend anzuwenden mit Ausnahme des § 1579 Nr. 1 BGB.
5.5.1 Grundlagen
Bei der Prüfung der Voraussetzungen ist eine zweistufige Billigkeitsabwägung vorzunehmen:
- Zunächst ist der konkrete Härtegrund zu ermitteln und festzustellen.
- Sodann ist zu prüfen, ob die Inanspruchnahme des Pflichtigen aufgrund des Verwirkungstatbestandes auch unter Berücksichtigung der Belange eines gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig erscheint.
Unterhaltszahlungen sind grob unbillig, wenn zwischen dem Verhalten, das den Verwirkungsgrund bildet, und der ehelichen Solidarität und Loyalität, die Grundlage des Unterhaltsanspruchs sind, ein so krasses Missverhältnis besteht, dass die weitere Zahlung von Unterhalt unzumutbar erscheint. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung sind die wirtschaftlichen und die persönlichen Verhältnisse sowie die aktuelle Lebenssituation der Beteiligten zu berücksichtigen; die Schwere des Verwirkungsgrundes, die Auswirkungen der die Verwirkung auslösenden Handlung für den Verpflichteten, aber auch die Dauer der Ehe und die Ehebedingtheit der Bedürftigkeit.
5.5.2 Darlegungs- und Beweislast
Der Unterhaltsschuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschlussgrundes, weil es sich bei § 1579 BGB um eine ihm günstige rechtsvernichtende Einwendung handelt. Den Unterhaltsberechtigten trifft aber eine sekundäre Darlegungslast, sich zu dem schlüssigen Vortrag des Unterhaltsverpflichteten näher zu äußern und diesen substantiiert zu bestreiten. Weil es sich um eine Einwendung handelt, ist die Vorschrift im Verfahren von Amts wegen zu beachten, wenn seitens des Unterhaltsschuldners entsprechende Tatsachen vorgetragen werden.
5.5.3 Rechtsfolgen
Ist ein Verwirkungstatbestand gegeben und die weitere Unterhaltszahlungen auch unter Berücksichtigung der Belange gemeinschaftlicher Kinder grob unbillig, kann der Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, in der Höhe herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Auch wenn einzelne Verfehlungen für sich genommen noch nicht besonders schwer wiegen, kann sich aus der Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Pflichtverletzungen eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1579 BGB ergeben.
Betreut der Berechtigte beispielsweise ein gemeinschaftliches Kind, führte dies bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Verwirkung regelmäßig dazu, dass der Unterhaltsanspruch nicht vollständig versagt, sondern der Unterhaltsbedarf des Berechtigten auf das Existenzminimum eines unterhaltsberechtigten Ehegatten festgesetzt wird; dies entspricht derzeit für einen erwerbstätigen Ehegatten 1.080 EUR, für einen nichterwerbstätigen Ehegatten 880 EUR. Auf diesen Unterhaltsbedarf sind dann die tatsächlich erzielten oder erzielbaren Einkünfte des Berechtigten anzurechnen.
Die Belange eines gemeinsamen Kindes sind aber bereits dann gewahrt i. S. v. § 1579 BGB, wenn die dazu erforderlichen Mittel von anderer Seite erlangt werden können, etwa von dem leistungsfähigen nichtehelichen Partner, in Form von Sachleistungen oder sonstigen Vorteilen aus dem Zusammenleben. Während freiwillige Leistungen eines neuen Partners zwar den Unterhaltsbedarf zunächst nicht mindern, sind sie also im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB gleichwohl zu berücksichtigen.
Wurde der grundsätzlich bestehende Unterhaltsanspruch des Berechtigten im Hinblick auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB ganz oder teilweise als verwirkt angesehen, kann der Unterhaltsanspruch bei Wegfall der verfestigten Lebensgemeinschaft grundsätzlich wieder in voller Höhe aufleben.
Ist es lediglich zweifelhaft, ob ein Unterhaltsanspruch besteht, weil über einen Verwirkungstatbestand gestritten wird, bleibt es bei der wechselseitigen Auskunftspflicht, und eine etwaige Verwirkung wird erst im Betragsverfahren geprüft.
5.5.4 Die einzelnen Härtegründe
Nr. 1: Kurze Ehedauer
Von einer kurzen Ehedauer ist in der Regel dann auszugehen, wenn die Ehe zwischen der standesamtlichen Eheschließung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages nicht mehr als zwei Jahre gedauert hat. Bei einem Zeitraum von 2 bis 5 Jahren Ehedauer kann immer noch eine kurze Ehe in Betracht kommen, hier sind aber die durch die Ehe bewirkten Veränderungen in den Lebensumständen der Ehegatten zu berücksichtigen.
Die Zeiten der Kinderbetreuung sind – entgegen der früheren Formulierung des Härtegrundes – nicht mehr der Ehezeit hinzuzurechnen, sondern nur noch im Rahmen der Bil...