Ist ein Verwirkungstatbestand gegeben und die weitere Unterhaltszahlungen auch unter Berücksichtigung der Belange gemeinschaftlicher Kinder grob unbillig, kann der Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, in der Höhe herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Auch wenn einzelne Verfehlungen für sich genommen noch nicht besonders schwer wiegen, kann sich aus der Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Pflichtverletzungen eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1579 BGB ergeben.[220]

 
Hinweis

Betreut der Berechtigte beispielsweise ein gemeinschaftliches Kind, führte dies bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Verwirkung regelmäßig dazu, dass der Unterhaltsanspruch nicht vollständig versagt, sondern der Unterhaltsbedarf des Berechtigten auf das Existenzminimum eines unterhaltsberechtigten Ehegatten festgesetzt wird; dies entspricht derzeit für einen erwerbstätigen Ehegatten 1.080 EUR, für einen nichterwerbstätigen Ehegatten 880 EUR. Auf diesen Unterhaltsbedarf sind dann die tatsächlich erzielten oder erzielbaren Einkünfte des Berechtigten anzurechnen.

Die Belange eines gemeinsamen Kindes sind aber bereits dann gewahrt i. S. v. § 1579 BGB, wenn die dazu erforderlichen Mittel von anderer Seite erlangt werden können, etwa von dem leistungsfähigen nichtehelichen Partner, in Form von Sachleistungen oder sonstigen Vorteilen aus dem Zusammenleben. Während freiwillige Leistungen eines neuen Partners zwar den Unterhaltsbedarf zunächst nicht mindern, sind sie also im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB gleichwohl zu berücksichtigen.[221]

Wurde der grundsätzlich bestehende Unterhaltsanspruch des Berechtigten im Hinblick auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB ganz oder teilweise als verwirkt angesehen, kann der Unterhaltsanspruch bei Wegfall der verfestigten Lebensgemeinschaft grundsätzlich wieder in voller Höhe aufleben.[222]

 
Hinweis

Ist es lediglich zweifelhaft, ob ein Unterhaltsanspruch besteht, weil über einen Verwirkungstatbestand gestritten wird, bleibt es bei der wechselseitigen Auskunftspflicht, und eine etwaige Verwirkung wird erst im Betragsverfahren geprüft.[223]

[220] OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 1118.
[221] OLG Koblenz, FamRZ 2016, 1938.

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