Leitsatz

Getrennt lebende Eheleute stritten sich um den von dem Ehemann zu zahlenden Trennungsunterhalt. Aus der Ehe war ein im Jahre 1995 geborener Sohn hervorgegangen. Das schwerbehinderte Kind lebte bei der Ehefrau und besuchte den Kindergarten. Das der Klägerin für die Pflege des Sohnes zufließende Pflegegeld wurde bei der Unterhaltsberechnung vom OLG unberücksichtigt gelassen. Ihre zeitweise aus einer Halbtagstätigkeit erzielten Einkünfte hat das OLG darüber hinaus als überobligationsmäßig erachtet.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Mai 1995 geheiratet. Aus ihrer Ehe ging ein im Dezember 1995 geborener Sohn hervor. Die Eheleute lebten seit Ende Oktober 2000 voneinander getrennt. Der gemeinsame Sohn verblieb in dem Haushalt der Ehefrau. Er war schwerstbehindert und erhielt aufgrund seiner Schwerbehinderung Pflegegeld nach der Pflegestufe III i.H.v. monatlich 665,00 EUR. Dieser Betrag wurde an die Ehefrau gezahlt, die bis zum 30.11.2002 teilzeitbeschäftigt war. Sie verrichtete ihre Tätigkeit von einem häuslichen Telearbeitsplatz aus. Seit dem 1.12.2002 war die Ehefrau nicht mehr erwerbstätig, sei April 2002 lebte sie mit einem neuen Partner zusammen.

Der Ehemann war als Industriekaufmann beschäftigt.

Das erstinstanzliche Gericht hat den Ehemann zur Zahlung von Kindes- sowie zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Gegen die Verurteilung zur Zahlung von Trennungsunterhalt wandte sich der Ehemann mit der Berufung. Das OLG hat das angefochtene Urteil abgeändert und hinsichtlich des Trennungsunterhalts geringere Beträge ausgeurteilt als das erstinstanzliche Gericht. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Ehemann seinen Klageabweisungsbegehren hinsichtlich des Trennungsunterhalts weiter.

 

Entscheidung

Hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens des Ehemannes folgte der BGH der Auffassung des Berufungsgerichts. Auch gegen das vom OLG errechnete Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit äußerte der BGH keine Bedenken.

Inwieweit für einen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, eine Erwerbsobliegenheit bestehe, sei nach objektiven Kriterien zu entscheiden. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls komme es neben den persönlichen Verhältnissen des Unterhalt fordernden Ehegatten vor allem auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes an. Dabei spiele nicht nur dessen Alter, sondern insbesondere auch sein Gesundheitszustand, sein sonstiger Entwicklungszustand sowie möglicherweise bei ihm aufgetretene Verhaltensstörungen eine Rolle. Dem gemäß sei auch ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsbedarf sog. Problemkinder zu berücksichtigen. Für den aufgrund seiner Schwerbehinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes stehenden Sohn seien ungleich mehr Betreuungsleistungen zu erbringen als für ein gesundes Kindergartenkind. Auf den gesamten Tagesablauf bezogen ergebe sich deshalb durch den Besuch des Kindergartens des Sohnes keine nennenswerte Entlastung der Ehefrau. Vielmehr sei sie darauf angewiesen, in der Zeit der Abwesenheit des Sohnes die notwendige Hausarbeit zu verrichten, um sich nach der Rückkehr des Kindes ihm wieder uneingeschränkt widmen zu können. Eine daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit stelle deshalb eine überobligationsmäßige Tätigkeit der Ehefrau dar, die von ihr nicht verlangt werden könne.

Das für Betreuungsleistungen nach § 37 Abs. 1 SGB XI gewährte Pflegegeld bleibe bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich unberücksichtigt, wenn es an die Pflegeperson weitergeleitet werde (§ 13 Abs. 6 S. 1 SGB XI).

Einer der in § 13 Abs. 6 S. 2 SGB XI geregelten Ausnahmefälle liege nicht vor.

 

Hinweis

Die Nichtberücksichtigung von Leistungen aus der Pflegeversicherung, die an die Pflegeperson weitergeleitet werden, beruht auf dem Willen des Gesetzgebers. Hierdurch soll die Bereitschaft zur häuslichen Pflege gefördert und gestärkt werden.

Alle OLGe formulieren in ihren Leitlinien, dass Pflegegeld grundsätzlich Einkommen darstellt, nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI aber unberücksichtigt bleiben müsse. Ob ausnahmsweise eine Berücksichtigung des Pflegegeldes beim Unterhalt zu erfolgen hat, ergibt sich aus der Aufzählung in § 13 Abs. 6 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGB XI.

Nach § 1610a BGB gilt die Vermutung, dass die gezahlten Leistungen nur die erhöhten Aufwendungen decken, die aus der gesundheitlichen Einschränkung herrühren. Macht der Unterhaltsverpflichtete anderes geltend, trägt er hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast.

Zu den überobligationsmäßigen Erwerbseinkünften müssen von dem Unterhaltsberechtigten die Tatsachen, die die Vereinbarkeit von Kindesbetreuung und Beruf erschweren, im Einzelnen vorgetragen werden. Soweit Einkünfte sich als überobligationsmäßig darstellen, bleiben sie bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 01.03.2006, XII ZR 157/03

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