Leitsatz
- Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal "im Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung" weit auszulegen.
- Streitigkeiten aus Mietverträgen (einschließlich gewerblicher Mietverträge), die die Eheleute untereinander geschlossen haben, können sonstige Familiensachen i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sein.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; GVG § 17a
Kommentar
Die Parteien waren Eheleute, die sich im September 2009 getrennt haben und seit April 2011 rechtskräftig geschieden sind. In der Zeit des Zusammenlebens bewohnten die Eheleute ein im Eigentum der Ehefrau stehendes Einfamilienhaus, in dem sich eine ca. 83 qm große Einliegerwohnung befindet. Diese Wohnung vermietete die Ehefrau im Jahr 1998, also während der Ehezeit, an ihren Ehemann, der dort ein Ingenieurbüro betrieb. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Mietzins für diese Räumlichkeiten ab September 2009, also seit dem Zeitpunkt des Getrenntlebens. Der Ehemann wendet gegen den Anspruch u.a. ein, der Mietvertrag sei im September 2009 aufgehoben worden. Man habe sich im Zuge der Trennung darauf geeinigt, dass die Einliegerwohnung künftig dem gemeinsamen Sohn zur Verfügung stehe; damit sei die stillschweigende Aufhebung des Mietvertrags verbunden.
Der Senat hatte zu entscheiden, ob für den Rechtsstreit das Familiengericht oder die Gerichte der allgemeinen Gerichtsbarkeit zuständig sind.
Die Streitfrage ergibt sich aus der Vorschrift des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Zur Zuständigkeit der Familiengerichte zählen u.a. die "sonstigen Familiensachen" (§ 266 Abs. 1 FamFG). Dazu gehören auch "Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen ... im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe" (§ 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Die Abgrenzung zu den allgemeinen Zivilsachen ist streitig.
Nach Auffassung des Senats gelten für die Zuweisung einer Rechtsstreitigkeit zu den Familiengerichten folgende Kriterien:
- Eine Zivilrechtsstreitigkeit, die einen inhaltlichen (sachlichen) Zusammenhang mit der Trennung der Eheleute, der Scheidung oder der Aufhebung der Ehe aufweist, ist vom Familiengericht zu entscheiden.
- Ein inhaltlicher (sachlicher) Zusammenhang liegt vor, wenn die Streitigkeit aus einem Rechtsgeschäft resultiert, das die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Eheleute betrifft. Der Zusammenhang kann dabei rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein.
- Der Begriff des Zusammenhangs ist "großzügig zu beurteilen". Es sind lediglich solche Fälle auszuscheiden, in denen der familienrechtliche Bezug völlig untergeordnet ist.
- Auch Streitigkeiten aus Mietverträgen zwischen den Eheleuten können sonstige Familiensachen sein, wenn bei der Begründung, Durchführung oder Auflösung des Mietvertrags ein Zusammenhang besteht. Dies gilt auch für gewerbliche Mietverträge.
- Bei der Beurteilung der Frage, ob die Rechtssache einen familienrechtlichen Bezug aufweist, ist nicht nur der Vortrag des Klägers, sondern auch das Verteidigungsvorbringen zu berücksichtigen. Bleibt die Frage streitig, muss der Kläger die für den gewählten Rechtsweg maßgeblichen Tatsachen beweisen.
Hier geht der Senat davon aus, dass bereits nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet ist. Zum einen sei der Mietvertrag während der Ehe geschlossen worden. Zum anderen befindet sich das Mietobjekt in dem von den Parteien (damals) gemeinsam bewohnten Haus. Schließlich fällt die Geltendmachung der Miete mit dem Beginn der Trennungszeit der Parteien zusammen, was ein deutliches Indiz für einen Zusammenhang zwischen der Forderung und der Trennung der Eheleute darstellt.
Sachlicher + zeitlicher Zusammenhang?
Zu der in der familienrechtlichen Literatur streitigen Frage, ob neben dem sachlichen auch ein zeitlicher Zusammenhang gegeben sein muss, hat der Senat nicht Stellung genommen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kam es hierauf nämlich nicht an, weil dieser Zusammenhang zweifelsfrei gegeben war.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 5.12.2012, XII ZB 652/11, NJW 2013 S. 616