Leitsatz
Nach § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Folgesache Sorgerecht auf Antrag eines Ehegatten zwingend aus dem Scheidungsverbund abzutrennen. Der Abtrennungsantrag kann dabei gemäß § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO auch auf die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Kindesunterhalt erstreckt werden. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob auch die Abtrennung dieser unterhaltsrechtlichen Folgesachen zwingend ist oder dabei weitere Anforderungen zu beachten sind.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1990 geheiratet und lebten seit Februar 2001 getrennt. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Ehefrau Anträge auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich gestellt und darüber hinaus beantragt, ihr die elterliche Sorge für den Sohn alleine zu übertragen. Die den Zugewinnausgleich betreffende Folgesache ist von den Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt hat das FamG auf Antrag des Ehemannes - gegen den Widerspruch der Ehefrau - nach § 623 Abs. 2 ZPO abgetrennt. Sodann hat es die Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau geregelt.
Mit der gegen das Verbundurteil gerichteten Berufung hat die Ehefrau geltend gemacht, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung vor der Entscheidung über die Folgesachen hätten nicht vorgelegen. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision der Ehefrau, mit der sie weiterhin begehrte, dass zusammen mit der Scheidung auch über die Folgesachen entschieden wird.
Entscheidung
Der BGH hielt die Revision für zulässig und begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Der BGH vertrat die Auffassung, die auf § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO gestützte Abtrennung sei unzulässig. Ein Abtrennungsantrag nach § 623 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO könne zurückgewiesen werden, wenn der Antrag rechtsmißbräuchlich gestellt werden. Nach dem Zweck des Gesetzes solle eine Abtrennung beider Folgesachen nur dann möglich sein, wenn die unterhaltsrechtlichen Folgen der Sorgerechtsentscheidung mitgeklärt werden müssten. Die Schutzfunktion des Scheidungsverbundes dürfe nur bei Vorliegen zwingender Gründe aufgegeben werden.
Hieraus sei zu schließen, dass zwar eine Sorgerechtsfolgesache auf Antrag grundsätzlich abzutrennen sei. Bei Unterhaltsfolgesachen sei einem Abtrennungsantrag dagegen nur dann zu entsprechen, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen elterlicher Sorge und Kindesunterhalt bzw. Betreuungsunterhalt des Ehegatten bestehe, der eine Vorabentscheidung über den Unterhalt begehre.
Ohne einen solchen Zusammenhang sei ein die Unterhaltsfolgesachen betreffender Abtrennungsantrag von dem Zweck des § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht gedeckt und laufe dem Schutzzweck des Scheidungsverbundes und der seiner Wahrung dienenden Bestimmung des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO zuwider.
Hinweis
Eine erfreulich klare Entscheidung des BGH zu der umstrittenen Anwendung des § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO.
Mit der zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Reform des Verfahrens in Familiensachen ist § 623 ZPO aufgehoben worden. Die Abtrennung ist nunmehr in § 140 FamFG geregelt. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Ehegatten neben einer Sorgerechtsfolgesache zugleich eine Unterhaltsfolgesache abtrennen, wenn dies wegen des Zusammenhangs mit der Sorgerechtsfolgesache geboten erscheint.
Die BGH-Entscheidung entspricht letztendlich bereits der gesetzlichen Neuregelung.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 01.10.2008, XII ZR 172/06