1 Leitsatz
Ist für die beabsichtigte Eigennutzung eines vermieteten Mehrfamilienhauses eine Baugenehmigung erforderlich und entscheidet sich der Vermieter, diese nicht einzuholen, weil er der Auffassung ist, eine solche sei nicht erforderlich, stellt die Kündigung wegen Eigenbedarfs eine unzulässige Vorratskündigung dar.
2 Normenkette
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
3 Das Problem
Der Vermieter kann eine Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Räume für sich oder seine Haushalts- oder Familienangehörigen benötigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Sind für die Realisierung des konkreten Eigennutzungswunsches Umbauten erforderlich, muss zum Zeitpunkt der Eigenbedarfskündigung zwar noch keine ins einzelne gehende Planung vorliegen. Allerdings müssen die Vorstellungen, die der Vermieter hinsichtlich seines Raumbedarfs hat, verwirklicht werden können (so bereits LG Hamburg, Urteil v. 25.6.2009, 333 S 67/08, ZMR 2010, 528 sowie AG Hamburg, Urteil v. 27.11.2013, 319a C 209/12, ZMR 2014, 456, wonach bei geplanten Umbaumaßnahmen – hier: Dachgeschossausbau und Zusammenlegung zweier Wohnungen –, mit denen der Eigenbedarf begründet wird, bei Ausspruch der Eigenbedarfskündigung zwar noch keine Baugenehmigung oder ein Vorbescheid vorliegen muss. Das Bauvorhaben muss aber soweit konkret geplant sein, dass dessen Realisierung geprüft werden kann).
4 Die Entscheidung
In dem vom AG Hamburg entschiedenen Fall kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für einen ihrer Gesellschafter, der das gesamte Haus mit den drei dort vorhandenen Wohnungen zukünftig mit seiner Familie als Einfamilienhaus nutzen wollte. Hierzu würden u. a. die verschließbaren Wohnungseingangstüren entfernt und Badezimmertüren wieder eingesetzt werden, sodass letztlich der ursprüngliche Zustand des Gebäudes, bei dem es sich nach der Erbauung im Jahre 1936 zunächst um ein Einfamilienhaus gehandelt hatte, wieder hergestellt werde.
Das Gericht wertete die Kündigung als unzulässige Vorratskündigung, da der Umbau nach der Landesbauordnung genehmigungsbedürftig war, die Vermieterin diese Genehmigung zum Zeitpunkt der Kündigung aber nicht eingeholt hatte. Zwar setze die Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs auch bei durch den Selbstnutzungswunsch erforderlichen Umbaumaßnahmen nicht voraus, dass eine Baugenehmigung schon bei Ausspruch der Kündigung vorliegt. Es genügt insoweit, wenn die Baugenehmigungsfähigkeit gegeben ist. Allerdings müssen die geplanten Umbaumaßnahmen bei Ausspruch der Eigenbedarfskündigung so konkret geplant sein, dass die Realisierbarkeit des Bauvorhabens geprüft werden kann. Eine Kündigung ins Blaue hinein ohne entsprechende verlässliche baustatische und baugenehmigungsrechtliche Vorprüfung ist nicht ausreichend. Es genügt aber grundsätzlich, wenn die Genehmigung beantragt wurde bzw. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erwarten ist. Dies war vorliegend nicht der Fall, da die Vermieterin der Auffassung war, eine Baugenehmigung sei nicht erforderlich und diese daher nicht eingeholt hat. Die Kündigung war daher als sog. Vorratskündigung unwirksam und die Räumungsklage abzuweisen.
5 Entscheidung
AG Hamburg, Urteil v. 26.10.2023, 49 C 294/22, GE 2024, 599