Der Vermieter wird durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Freiheit geschützt, die Wohnung bei Eigenbedarf selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige nutzen zu lassen. Dabei haben die Mietgerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den – eng gezogenen – Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen. Ebenso haben die Mietrichter grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht. Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen.
Zur Wahrung der berechtigten Belange des Mieters sind dem Erlangenswunsch des Vermieters allerdings Grenzen gesetzt. Die Gerichte dürfen den Eigennutzungswunsch des Vermieters daraufhin überprüfen,
- ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird,
- ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist (s. Abschn. 3),
- ob die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt erfüllen kann (s. Abschn. 5) oder
- ob der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann (s. Abschn. 6).
Zusätzlich wird der Mieter über die sog. Sozialklausel des § 574 BGB geschützt, indem er Härtegründe anbringen kann.
Ferner haben die Gerichte zu prüfen, ob mit dem Erlangungswunsch ein weit überhöhter und damit rechtsmissbräuchlicher Wohnbedarf geltend gemacht wird. Die Gerichte müssen ihre Wertung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien und unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände treffen.
Keine pauschale "Bedarfsbemessung" an Wohnraum
Pauschale oder formelhafte Wendungen, wie etwa Wohnungen einer bestimmten Größenordnung seien generell für eine bestimmte Personenzahl "ausreichend", erfüllen diese Anforderungen nicht.
Rechtsfehlerhaft ist daher die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum teilweise vertretene Auffassung, ein von einer alleinstehenden Person mit geringen Einkünften (z. B. Student oder Auszubildender) beanspruchter Wohnbedarf von etwa 100 qm sei unangemessen, sofern nicht besondere Gründe einen erhöhten Bedarf rechtfertigten. Diese Auffassung verkennt, dass dem Vermieter nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein weiter Ermessensspielraum bei der Bedarfsbemessung eingeräumt wird.
Der vom Vermieter angemeldete Wohnbedarf darf nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch überprüft werden. Rechtsmissbräuchlich ist aber nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Allerdings lassen sich keine Richtwerte aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Diese Beurteilung hängt nämlich nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.
Kriterien für Wohnbedarf
Hierbei können neben der Wohnfläche und der Anzahl der Zimmer viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa
- der Zuschnitt und die Ausstattung der Wohnung,
- die Bedürfnisse der Bedarfsperson (z. B. ob diese auch ein Arbeitszimmer benötigt),
- ihr Lebensentwurf und ihre Lebensplanungen,
- die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedarfsperson und des (ggf. unterhaltspflichtigen) Vermieters,
- die Lage auf dem Wohnungsmarkt,
- die Höhe der von der Bedarfsperson zu zahlenden oder vom Vermieter erlassenen Miete
- sowie die Frage, ob die gekündigte Wohnung nur sporadisch genutzt werden soll.
Von Bedeutung sein kann schließlich, ob auch der Mieter für seine Eigennutzung einen großzügigen Maßstab angelegt hat.
Will der Vermieter die Wohnung einem Angehörigen zusammen mit einer weiteren Person bzw. weiteren Personen zur Verfügung stellen und bemisst er auf dieser Grundlage den aus seiner Sicht angemessenen Wohnbedarf, ist diese Entscheidung von den Gerichten zu respektieren und bei der Prüfung, ob ein "weit überhöhter" Wohnbedarf vorliegt, zu berücksichtigen.
Unbeachtlich ist insofern, ob es sich bei dem bzw. den Dritten um Personen handelt, mit denen der Angehörige eine in der Regel auf Dauer geplante Lebensgemeinschaft oder lediglich eine regelmäßig zeitlich beschränkte (z. B. studentische) Wohngemeinschaft bilden will. Der Entschluss eines Alleinstehenden, eine kameradschaftliche Wohngemeinschaft zu bilden, ist – so der BGH – in der pluralistisch und liberal geprägten Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ebenso anerkennenswert wie der Entschluss von Lebensgefährten, gemeinsam eine Wohnung zu beziehen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass eine solche Wohngemeinschaft regelmäßig zeitlich begrenzt ist (z. B. auf die Dauer des Studiums), da auch ein zeitlich begrenzter Bedarf eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen kann. Dabei lässt sich kein...