Leitsatz

Bei Insolvenzreife der Gesellschaft unterliegen auch kurzfristige Überbrückungskredite den Eigenkapitalersatzregeln. Maßstab für die Beurteilung, ob ein derartiger Kredit vorliegt und das Darlehen ausnahmsweise nicht als funktionales Eigenkapital zu behandeln ist, sind die in § 64 Abs. 1 GmbHG niedergelegten Wertungen.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der K-GmbH. Er nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes auf Zahlung von 153000 EUR in Anspruch. Der Beklagte ist Alleingesellschafter der D-GmbH, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der K-GmbH und zugleich Komplementärin der D-KG ist.

Mit Schreiben vom 13.7.2001 sagte die X-Bank der K-GmbH einen Kredit über insgesamt 1,3 Mio. DM zu, dessen Durchführung davon abhängig sein sollte, dass der K-GmbH von ihrer Gesellschafterin Mittel in Höhe von 400000 DM zufließen. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung stellte der Beklagte der K-GmbH ein Darlehen von 100000 DM zur Verfügung, während die restlichen 300000 DM (153000 EUR) durch den Verkauf eines Grundstücks der D-KG aufgebracht werden sollten. Da sich der Grundstücksverkauf verzögerte, erklärte sich die Bank am 7.11.2001 bereit, der K-GmbH bis zum 31.12.2001 eine Zusatzkreditlinie von 300000 DM gegen Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch den Beklagten einzuräumen. Am 8.11.2001 zahlte die Bank die gesamten zugesagten Kreditmittel in Höhe von 1,6 Mio. DM an die K-GmbH aus. Da die Bank von der K-GmbH die Rückführung der zunächst bis 31.3.2002, später bis 31.5.2002 prolongierten Zusatzkreditlinie durch Schreiben vom 24.6.2002 unter Fristsetzung bis zum 15.7.2002 forderte, gewährte die D-KG der K-GmbH einen Betriebsmittelkredit über 154000 EUR. Am 28.6.2002 veranlasste der Beklagte die Überweisung von 153400 EUR auf das bei der Bank für den Zusatzkredit geführte Sonderkonto der K-GmbH. LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Zurückverweisung.

 

Entscheidung

Auch für "Gesellschafter-Gesellschafter" wie den Beklagten gelten die allgemeinen Eigenkapitalersatzregeln[1]. Kurzfristig rückzahlbare "Überbrückungskredite" eines Gesellschafters bzw. die von diesem vorgenommene Besicherung eines solchen Darlehens unterliegen den Eigenkapitalersatzregeln nicht uneingeschränkt. Eine derartige Einschränkung kommt aber nur für besonders gelagerte Ausnahmefälle in Betracht, in denen die Gesellschaft zwar für kurze Zeit dringend auf die Zufuhr von Geldmitteln angewiesen ist, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage aber mit der fristgerechten Rückzahlung objektiv gerechnet werden kann[2]. Die zeitliche Grenze für einen solchen "Überbrückungskredit" beträgt längstens drei Wochen, entspricht also der Insolvenzantragsfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG[3]. In der zu entscheidenden Sache überschritt die Kreditlaufzeit, die überdies mehrfach prolongiert wurde, diese Zeitspanne. Schon aus diesem Grund war die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben.

Überdies hat eine Gesellschafterhilfe stets eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn die Insolvenz der Gesellschaft ohne diese Leistung unvermeidbar gewesen wäre. Diente die Gewährung der von dem Beklagten durch seine Bürgschaft gesicherten Zusatzkreditlinie der Abwendung der Insolvenz, steht die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln außer Zweifel[4]. Dementsprechend gilt dann das Erstattungsgebot des § 32b GmbHG. Insoweit muss das OLG aufklären, ob bei der K-GmbH im fraglichen Zeitpunkt bereits ein Insolvenzantragsgrund gegeben war.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 17.7.2006, II ZR 106/05

[1] Vgl. §§ 32a, 32b GmbHG; zu deren Anwendung auf "Gesellschafter-Gesellschafter"BGH-Urteil vom 13.12.2004, II ZR 206/02, ZIP 2005, S. 117
[3] Dazu Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., München 2006, § 32a Rn. 72

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