Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Brüstung und Geländer sondereigentumsfähiger Balkone gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum
"Unterhalts-Verpflichtungen" können als auszulegende Instandsetzung auch zu Lasten betroffener Balkon-Sondereigentümer vereinbart werden
Normenkette
§ 5 WEG, § 10 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 21 WEG
Kommentar
1. In einer Gemeinschaftsordnung war u.a. vereinbart: "Die Unterhaltung der Terrasse und der Balkone unterliegt ausschließlich demjenigen Sondereigentümer, welcher die Terrasse oder die Balkone benützt."
Ein Antragsteller ließ die Holzbrüstung seines Balkons ersetzen und forderte von der Gemeinschaft die Hälfte des dafür aufgewendeten Betrages (DM 4.662). In allen Instanzen wurde der Antrag abgewiesen.
2. Balkone sind grundsätzlich sondereigentumsfähig, und zwar unabhängig davon, dass diejenigen Teile eines Balkones, die für den Bestand oder die Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind, zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen (h.R.M. zu § 5 Abs. 2 WEG). Desgleichen sind gem. § 5 Abs. 1 WEG Teile eines Balkones nicht Sondereigentum, durch deren Veränderung, Beseitigung oder Einfügung die äußere Gestalt des Gebäudes verändert würde. Eine Balkonbrüstung oder ein Balkongeländer gehört demnach jedenfalls zum Gemeinschaftseigentum (ebenfalls h.M.).
Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt nun grundsätzlich den Eigentümern gemeinschaftlich (§ 21 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG). Die Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung bestimmter Teile des gemeinschaftlichen Eigentums kann jedoch in Abweichung von der gesetzlichen Regelung ( § 16 Abs. 2 WEG) durch Vereinbarung der Eigentümer anderweitig geregelt, insbesondere auch einem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt werden ( § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). Dies ist hier in zulässiger Weise hinsichtlich der gesamten Balkone in der Gemeinschaftsordnung geschehen.
Der Senat teilt i.Ü. die Auslegung dieser Bestimmung durch die Vorinstanzen dahin, dass der "Unterhalt" auch die Instandsetzung im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Teile des Balkones, insbesondere der Balkonbrüstung umfasst. Dies ist jedenfalls die nächstliegende Bedeutung dieser Vereinbarungsbestimmung für einen unbefangenen Leser auch unter Berücksichtigung der Beschreibung des Sondereigentums in der Teilungserklärung unter Nennung der Balkone.
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren zu Lasten der unterlegenen Antragstellerseite bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 4.662.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 01.10.1998, 2Z BR 144/98)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Die vorgenommene bzw. bestätigte Auslegung des Senats zur hier getroffenen Vereinbarung ("nächstliegende Bedeutung") teile ich nicht. Ausgehend vom Wortlaut "Unterhaltung"muss auch für unbefangene Betrachter erkennbar sein, dass Unterhaltsmaßnahmen nicht mit Instandsetzungsmaßnahmen gleichgestellt werden können. Das WEG spricht mehrfach zusammenhängend von "Instandhaltung und Instandsetzung", verwendet also hier bewusst unterschiedliche Begriffe. Als allgemein bekannt unterstellt werden darf in diesem Zusammenhang, dass nach herrschender Definition beider Begriffe bei "Instandhaltung"von Erhaltung und Unterhaltung (im Sinne von kontinuierlichen Pflegemaßnahmen und allenfalls Schönheitsreparaturen wie Malerarbeiten) auszugehen ist und bei "Instandsetzung"von Ersatz, Erneuerung, Reparatur, Wiederherstellung und erstmaliger mängelfreier Erstellung. Der Begriff der Instandsetzung geht also erheblich weiter als der einer Instandhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahme. Wurde im vorliegenden Fall die komplette Holzbrüstung ersetzt, hatte dies sicher nichts mit einer "Unterhaltungsmaßnahme" dieses gemeinschaftlichen Bauteils im Sinne einer Pflege eines solchen gemeinschaftlichen Bauteiles zu tun.
Im Verfahren hätte hier m.E. auch geklärt werden müssen, ob der einzelne Balkon-Eigentümer überhaupt berechtigt war, eigenständig eine solche Ersatzmaßnahme durchzuführen (evtl. Problematik zu § 21 Abs. 2 WEG Notgeschäftsführung, Aufwendungsersatz); immerhin forderte dieser Balkon-Eigentümer von der Gemeinschaft auch nur den hälftigen Betrag der von ihm veranlassten Holzbrüstungs-Ersatzmaßnahme. In der hier einschlägigen Gemeinschaftsordnung war gerade nicht ausdrücklich von Instandhaltung und Instandsetzung die Rede, sondern eben nur - eingeschränkt - von "Unterhaltungs-Verantwortung" des einzelnen Balkoneigentümers in Abweichung zu § 16 Abs. 2 WEG, was m.E. aus objektiver Sicht zu einem anderen Auslegungs- und Entscheidungsergebnis hätte führen müssen.