Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Kein Anspruch auf erstmalige Herstellung eines planentsprechenden Zustandes (hier: verbreitertes Fenster) bei Unzumutbarkeit nachträglicher Änderung gemäß Treu und Glauben
Normenkette
(§ 21 Abs. 4 WEG; § 242 BGB)
Kommentar
1. Das Fenster einer Erdgeschosswohnung hatte laut Aufteilungsplan eine Breite von 100 cm; die tatsächliche Breite nach Bauausführung noch aus der Zeit vor Begründung von Wohnungseigentum ist beinahe doppelt so groß. Eine Rückbauverpflichtung wurde in allen 3 Instanzen zurückgewiesen.
2. Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG besteht nicht, weil eine bauliche Veränderung die Umgestaltung eines vorhandenen, dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands voraussetzt; vorliegend wurde das Fenster im jetzigen Zustand bereits vor Begründung von Wohnungseigentum gebaut.
3. Auch ein Anspruch unabhängig von den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 WEG setzt voraus, dass das Eigentum der Antragstellerin durch die vom Antragsgegner ausgehende Störung beeinträchtigt wird; ein solcher Anspruch besteht nicht, wenn der Antragsteller zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Antragsgegner beim Gebrauch seines Eigentums innerhalb der Grenzen des § 14 Nr. 1 WEG hält. Dabei kann es im vorliegenden Fall offen bleiben, ob der Aufteilungsplan hinsichtlich der Breite eines Fensters überhaupt eine verbindliche Regelung enthält. Dahinstehen kann auch, ob ein baulicher Zustand einer gesetzlichen Bestimmung (z.B. einer Regelung in der Bayer. Bauordnung) widerspricht. Ansprüche auf erstmalige Herstellung eines dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands finden ihre Grenze in dem Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben). Ein Eigentümer kann daher die Herstellung eines den Plänen entsprechenden Bauzustands dann nicht verlangen, wenn dies dem Anspruchsgegner bei Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (BayObLG, NZM 2000, 515); hiervon ist vorliegend auszugehen.
Der bauliche Zustand bestand i.Ü. bereits zum Zeitpunkt, als Wohnungseigentum begründet wurde. Was den Sichtschutz betrifft, ist es auch ohne Bedeutung, welche Breite das Fenster hat. Gleiches gilt für einen etwaigen Brandschutz.
3. Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert aller Instanzen von 5.000 EUR.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 20.03.2002, 2Z BR 178/01( BayObLG v. 20.3.2002, 2Z BR 178/01)