Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die endgültige Steuerbefreiung der Einfuhr von Treibstoff in den Hauptbehältern von Personenkraftfahrzeugen, Nutzfahrzeugen und Krafträdern im Sinne von Art. 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181/EWG des Rates v. 28.3.1983 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 14 Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 143 Abs. 1 Buchst. b ;wStSystRL) hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen.
Die Klägerin führte in der Zeit zwischen 2005 und 2010 Dieselkraftstoff in Haupttreibstoffbehältern von Lokomotiven aus der Russischen Föderation in das Zollgebiet der Europäischen Union ein und erklärte dies nicht gegenüber den Zollbehörden. Die entsprechende Nacherhebung von EUSt durch die Zollbehörde wurde damit begründet, dass nach Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83 des Rates vom 28.3.983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen und Art. 82 der Richtlinie 83/181 die Befreiungstatbestände für die EUSt auf in Haupttreibstoffbehältern von Straßenkraftfahrzeugen in das Zollgebiet der EU eingeführten Treib- und Schmierstoff nicht auf Lokomotiven anwendbar seien, da Lokomotiven nicht als Straßenkraftfahrzeuge anzusehen seien.
Die das Vorabentscheidungsersuchen stellende litauische Kommission für Steuerstreitigkeiten wies darauf hin, dass im vorliegenden Fall außer Streit stehe, dass Lokomotiven als Kraftfahrzeuge ("motorines transporto priemones") anzusehen sind und dass der Treibstoff, um den es im vorliegenden Fall geht, in Haupttreibstoffbehältern von Lokomotiven eingeführt wurde. Die Klägerin meinte, der Begriff Nutzfahrzeug sei so auszulegen, dass hierunter alle Straßenkraftfahrzeuge fielen (einschließlich Zugmaschinen mit oder ohne Anhänger), die nach Bauart und Ausrüstung zur Beförderung von Personen oder Gütern geeignet seien, und alle besonderen Straßenfahrzeuge für andere als Beförderungszwecke im eigentlichen Sinne. Zuglokomotiven seien (wie Zugmaschinen) Zugmittel, die zum Transport von Waren und Personen auf Schienen dienten.
Der EuGH musste prüfen, ob eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Schienen- und automobilen Straßenfahrzeugen durch objektive Kriterien zu rechtfertigen ist, wenn alle anderen Voraussetzungen (sowohl der Fahrzeugzweck - im vorliegenden Fall gewerbliche Nutzung - als auch die Art der Einfuhr des Treibstoffs - in Hauptbehältern - bzw. die Art seiner Verwendung - zum Antrieb des Fahrzeugs) die gleichen sind.
Nach den Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009, 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 ist u. a. der Treibstoff in den Hauptbehältern von "Nutzfahrzeugen", die in das Hoheitsgebiet der Union verbracht werden, von den Eingangsabgaben und der EUSt befreit. Der Begriff "Nutzfahrzeuge" wird in den Art. 112 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, 107 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009, 82 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 als "Straßenkraftfahrzeuge", die bestimmten besonderen Voraussetzungen entsprechen, definiert. Diese Voraussetzungen können sowohl von Lokomotiven als auch von anderen Landfahrzeugen erfüllt werden.
Entscheidung
Der EuGH hat auf unterschiedliche Sprachfassungen der genannten Vorschriften verwiesen. Während in einigen Fassungen ausdrücklich von Straßenfahrzeugen die Rede ist, sprechen andere Fassungen nur von Kraftfahrzeug. Da die Vorschriften Steuerbefreiungen regeln, müssen sie nach der EuGH-Entscheidung eng ausgelegt werden. Die Befreiungen von den Eingangsabgaben sollen zum einen für Privatpersonen das Überschreiten der Außengrenzen der Union vereinfachen und zum anderen die von den zuständigen Behörden durchzuführenden Zoll- und Steuerkontrollen erleichtern. Die systematische Prüfung des Tankinhalts sämtlicher Straßenfahrzeuge, die täglich in das Hoheitsgebiet der Union verbracht werden, wäre - so der EuGH - praktisch unmöglich und in Kosten-Nutzen-Relationen unangemessen. Dies gilt nach dem EuGH-Urteil aber nicht für den Tankinhalt von Lokomotiven. Entsprechende Kontrollen wären weniger zahlreich und daher mit weniger Aufwand durchführbar. Auch aus Neutralitätsgründen kommt eine EUSt-Befreiung für den Tankinhalt von Lokomotiven nicht in Betracht. Nach dem Urteil kann die unternehmerische Tätigkeit in verschiedenen Beförderungssektoren (Personentransport über die Straße einerseits und über die Schiene andererseits) nicht miteinander vergleichen werden.
Hinweis
Bei der Einfahrt in das Zollgebiet der Gemeinschaft wird unter bestimmten Voraussetzungen für Betriebsstoffe in Straßenkraftfahrzeugen und Spezialcontainern bis zu einer bestimmten Menge gemäß Artikel 107 ff. Zollbefreiungsverordnung eine Einfuhrabgabenbefreiung gewährt. Als Straßenkraftfahrzeuge oder Spezialcontainer gelten:
- • Nutzfahrzeuge, d.h. Straßenkraftfahrzeuge (einschließlich Zugmaschinen und ...