Leitsatz

Unwirksame Kontrollrechts-Vereinbarung

 

Normenkette

§ 14 Nr. 4 WEG; Art. 13 GG

 

Kommentar

1. In einer Gemeinschaft war in der Teilungserklärung unter einer Paragraphen-Überschrift "Überwachungsrecht des Verwalters" vereinbart:

"Der Verwalter hat zweimal im Jahr für sich und seine Beauftragten das Recht, alle Gebäudeteile einschließlich der Sondereigentumsräume zu angemessener Tageszeit zu besichtigen. Im Falle der Gefahr darf ihm der Zutritt in die Räume, die im Sondereigentum stehen, auf keinen Fall verwehrt werden."

Der Verwalter beantragte, einen Eigentümer zu verpflichten, ihm den Zutritt zu dessen Wohnung zu gestatten. In III. Instanz wurde dieser Antrag zurückgewiesen.

2. Eine Vereinbarungsregelung, die einem Verwalter gestattet, ohne sachlichen Grund eine Wohnung zu betreten, ist auch dann mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung unvereinbar, wenn das Betretungsrecht zeitlich auf zwei Termine pro Jahr beschränkt ist (vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 27.06.1996, Az.: 2Z BR 16/96 und BVerfG vom 26.05.1993, Az.: 1 BvR 208/93). Die hier getroffene Vereinbarungsregelung ist auch im Hinblick auf § 14 Nr. 4 WEG ungültig und verstößt gegen Art. 13 GG. Unter Berücksichtigung dieses Grundrechts kann ein über die Regelungen des § 14 Nr. 4 WEG hinausgehendes Betretungsrecht des Verwalters nur wirksam vereinbart werden, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaß-nahmen vorgenommen werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Duldungsverpflichtung auf den zweimaligen Zutritt pro Jahr beschränkt ist, sofern nicht besondere weitere Voraussetzungen hinzukommen. Der Schutz einer Wohnung nach Art. 13 GG soll nämlich Störungen vom privaten Leben fernhalten; Schutzgut ist die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet und sichert den elementaren Lebensraum. Art. 13 GG enthält insbesondere das grundsätzliche Verbot, gegen den Willen des Wohnungsinhabers in dessen Wohnung einzudringen oder darin zu verweilen. An Einschränkungen sind strenge Anforderungen zu stellen.

Im vorliegenden Vereinbarungsfall wurde das Zutrittsrecht des Verwalters nicht von konkreten sachlichen Gründen abhängig gemacht; eine bloße Kontrolle stellt, auch wenn sie nur zweimal pro Jahr stattfinden soll und schon Jahre lang eine derartige Kontrolle nicht stattgefunden hat, keinen ausreichenden Grund für eine Einschränkung des genannten Grundrechts des Wohnungsinhabers dar.

Ein Betretungsrecht ergibt sich auch nicht aus § 14 Nr.4 WEG, da nach dieser Vorschrift ein solches Recht einem Verwalter nur zustehen soll, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; damit wurde dem Verwalter nicht ein allgemeines Kontrollrecht eröffnet.

3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert von DM 5.000,--

 

Link zur Entscheidung

( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.11.2000, 3 W 184/00 = ZWE 4/2001, 171 mit Aufsatz Derleder zu dieser Entscheidung in ZWE 4/2001, 149 und ZMR 4/01, 308 mit Anmerkung Schmidt J. = DWE 1/01, 23)

Zu Gruppe 4

Anmerkung:

Vor notfalls gerichtlicher Durchsetzung von Betretungsansprüchen eines Sondereigentums sollte deshalb der Verwalter stets konkrete, sachliche Gründe glaubhaft und beweisbar benannt haben, die ihn kraft seiner Aufgabenverpflichtungen im Interesse der Gesamtgemeinschaft aus seiner Sicht die Berechtigung geben, das betreffende Sondereigentum betreten zu müssen. Hier denke ich an Überprüfung auch von Sondereigentumsräumen aufgrund mitgeteilter oder anderweit bekannt gewordener Unsauberkeiten oder an das Verwahrlosenlassen von Sondereigentumsräumen mit Gefährdungstatbeständen für anderes Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum, an möglicherweise vereinbarungswidrige oder gar sittenwidrige Nutzungen von Sondereigentum, auch an bauliche Veränderungsmaßnahmen innerhalb eines Sondereigentums, die sich nachteilig insbesondere auf anderes Gemeinschaftseigentum auswirken könnten oder sich bereits ausgewirkt haben, an Sanierungsnotwendigkeiten von gemeinschaftlichen Bau- und Einrichtungsteilen, die aus technischen oder auch wirtschaftlichen Gründen nur vom Inneren eines Sonder-eigentums aus überprüft bzw. erledigt werden können o.ä. Stets muss eine gewisse Dringlichkeit einer Überprüfung bzw. Sanierungsdurch-führung vorliegen, die es aus übergeordneten gemeinschaftlichen Interessen rechtfertigt, in das erwähnte Grundrecht des Eigentümers in sachlich und zeitlich angemessener Weise einschränkend eingreifen zu können (grds. mit angemessener Terminvoranmeldung). Insoweit erscheint es mir hier nicht erforderlich, in detaillierter Form in Gemeinschaftsordnungsvereinbarungen zu versuchen, konkrete Regelungen festzulegen, da auf diese gesetzlich und obergerichtlich entschiedenen Grundsätze jeweils im Einzelfall zurückgegriffen werden kann.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge