Zusammenfassung
Wird eine inkongruente Gewinnausschüttung durch alle Gesellschafter einstimmig beschlossen, dann setzt deren steuerliche Anerkennung nicht zwingend voraus, dass der Gesellschaftsvertrag einen von der gesetzlichen Grundregel der Kongruenz abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel oder eine Öffnungsklausel vorsieht.
Hintergrund
Der Kläger war gemeinsam mit seinen beiden Schwestern einer von drei (nahezu) gleichberechtigten Gesellschaftern der D-GmbH, sowie der alleinige Gesellschafter der D1-GmbH. Ende 2007 beschlossen die Gesellschafter der D-GmbH einstimmig zwei Gewinnausschüttungen über insgesamt 380.000 EUR nur an die beiden Schwestern. Wenige Monate später veräußerten die Schwestern ihre Gesellschaftsanteile an der D-GmbH an die D1-GmbH. Der Verkauf erfolgte "unter Berücksichtigung der erfolgten Gewinnausschüttungen" (nahezu) zum Nennwert.
Das Finanzamt erkannte die inkongruente Ausschüttung nicht an, d.h. rechnete ein Drittel der beiden Gewinnausschüttungen (die nur an die beiden Schwestern des Klägers geflossen waren) dem zu versteuernden Einkommen des Klägers zu. Zur Begründung verwies die Behörde auf ein BMF-Schreiben (BMF-Schreiben v. 17. Dezember 2013, BStBl. I 2014, 63) wonach eine inkongruente Gewinnausschüttung nur anerkannt werden könne, wenn der Gesellschaftsvertrag entweder vorsehe, dass die Gewinnverteilung nicht nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile erfolgen solle oder aber eine Öffnungsklausel dahingehend enthalte, dass der Gewinnverteilungsschlüssel jährlich durch Beschluss geändert werden könne. Beides sei – was zutrifft – bei der D-GmbH aber nicht der Fall.
Urteil des FG Köln v. 14.09.2016 - 9 K 1560/14
Das FG Köln entschied zugunsten des Klägers. Die Finanzverwaltung übersehe, dass auch wenn der Gesellschaftsvertrag keinen vom Gesetz abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel und keine Öffnungsklausel vorsehe, der Beschluss vorliegend trotzdem wirksam sei. Denn auch ohne Satzungsänderung sei es den Gesellschaftern gesellschaftsrechtlich möglich, durch einstimmigen Beschluss den Verteilungsschlüssel für eine Gewinnausschüttung abweichend vom Gesellschaftsvertrag festzulegen. Allenfalls sei der Beschluss anfechtbar, nicht aber per se unwirksam. Eine – nach Auffassung der Finanzbehörde mögliche und zureichende – nachträgliche, rückwirkende Satzungsänderung zu verlangen, sei bei einem einstimmigen Beschluss "eine nicht erforderliche Förmelei".
Anmerkung
Das Ergebnis des FG Köln überzeugt. Denn grundsätzlich sind gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung zivilrechtlich wirksame inkongruente Gewinnausschüttungen einkommensteuerlich anzuerkennen. Dies hat seinen Grund in der gebotenen Gleichbehandlung mit verdeckten Gewinnausschüttungen. Denn verdeckte Gewinnausschüttungen erfolgen häufig disquotal, ohne dass vertreten wird, die verdeckte Gewinnausschüttung sei jeweils anteilig allen Gesellschaftern zuzurechnen. Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln. Wenn der ggfs. entgegen der Satzung gefasste Gewinnverteilungsbeschluss einstimmig gefasst wurde und auf eine inkongruente Gewinnausschüttung beschränkt ist, ist er gesellschaftsrechtlich wirksam und muss – vorbehaltlich eines Gestaltungsmissbrauchs – auch die Grundlage der steuerlichen Beurteilung sein. Um Zweifelsfragen zu vermeiden, sollten Gesellschaftsverträge jedoch eine Öffnungsklausel vorsehen, dass die Gewinnverteilung von den Gesellschaftern auch – um Missbrauchsvorwürfe auszuschließen mit einstimmigem Beschluss - abweichend von der jeweils vorgesehenen Regelung beschlossen werden kann.