Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 25 WEG, §§ 164ff. BGB, § 9 AGBG
Kommentar
Auf Vorlage des Kammergerichts Berlin hat der Bundesgerichtshof entschieden:
Die in einer Teilungserklärung enthaltene Klausel, nach der sich Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung nur durch Ehegatten, einen Wohnungs- oder Teileigentümer und den Verwalter derselben Wohnanlage vertreten lassen können, ist grundsätzlich wirksam. Ob im Einzelfall Ausnahmen wegen Unzumutbarkeit nach Treu und Glauben geboten sein können, bleibt offen.
Im Grundsatzstreit ging es um die Gültigkeit folgender (sehr häufig vereinbarter) Klausel in einer Teilungserklärung:
"Jeder Wohnungs- oder Teileigentümer kann sich in der Eigentümerversammlung durch seinen Ehegatten, einen Wohnungs- oder Teileigentümer und den Verwalter der gleichen Wohnanlage vertreten lassen. Der Vertreter hat eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Der Ehegatte gilt auch ohne schriftliche Vollmacht zur Vertretung des anderen Ehegatten als ermächtigt, selbst wenn er nicht Eigentümer ist, es sei denn, dass die Vertretung durch Mitteilung an den Verwalter ausgeschlossen ist. Besucher haben keinen Zutritt."
Der BGH hat u.a. ausgeführt, dass eine Stellvertretung im Sinne der §§ 164ff. BGB bei Abstimmungen in Wohnungseigentümerversammlungen grundsätzlich möglich sei. Im Rahmen der Vertragsfreiheit könnten die Eigentümer jedoch ihre Rechtsverhältnisse durch Vereinbarung anders regeln, soweit nicht zwingendes Recht entgegenstehe. Schranken für den Inhalt der Gemeinschaftsordnung ergäben sich aus den Grenzen der Vertragsfreiheit nach den §§ 134, 138 BGB. Außerdem unterliege eine einseitig vom teilenden Eigentümer gesetzte Gemeinschaftsordnung der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Ob auf solche Gemeinschaftsordnungen das AGB-Gesetz Anwendung finde, sei umstritten, könne im vorliegenden Fall aber dahingestellt bleiben.
Das Gericht führt dann weiter aus, dass die betreffende Klausel der Teilungserklärung nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist. Die Vertretungsbefugnis durch einen Bevollmächtigten sei durch Rechtsgeschäft abdingbar. Die vereinbarte Einschränkung der Vertretung halte sich im Rahmen der besonders gearteten Gemeinschaft der Eigentümer. Die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung sei durch vorliegende Klausel nicht als "ausgehöhlt" zu betrachten.
Auch die Schwierigkeit von wohnungsvermietenden Kapitalanlegern mit entfernt gelegenem Wohnsitz, geeignete Miteigentümer als Vertreter zu erkunden, bedeute weder rechtlich noch tatsächlich einen Ausschluss von der Ausübung des Stimmrechts. Die vereinbarte Vertretungsbeschränkung verstoße weder gegen die guten Sitten ( § 138 BGB) noch gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB). Sie sei gerechtfertigt als Ergebnis einer vertretbaren Interessenabwägung bzw. eines Kompromiss-Ausgleichs. Ob im Einzelfall Ausnahmen wegen Unzumutbarkeit nach Treu und Glauben geboten sein könnten, musste im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Selbst wenn man die Anwendung des AGB-Gesetzes auf Gemeinschaftsordnungen in Teilungserklärungen mindestens sinngemäß anwenden wollte, ergäbe sich ebenfalls daraus keine Unwirksamkeit der vereinbarten Klausel (dies wird in der Entscheidung insbesondere im Hinblick auf § 9 AGBG näher ausgeführt).
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 11.11.1986, V ZB 1/86)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Die Auffassung des nunmehr in Wohnungseigentumsvorlagesachen zuständigen V. Zivilsenats entspricht der h.R.M. Der BGH ist letztlich in einer Interessenabwägung nach Treu und Glauben zu dem Ergebnis gelangt, dass das vorrangige Interesse der Eigentümer dahingeht, gemeinschaftsfremde Einwirkungen der Eigentümerversammlung fernzuhalten. Wenig hilfreich für die Praxis (weil zu unbestimmt) ist allerdings der Nachsatz, dass es unentschieden bleibe, ob im Einzelfall Ausnahmen wegen Unzumutbarkeit nach dem Grundsatz von Treu und Glauben geboten sein könnten.
Es ist für mich allerdings unverständlich, weshalb teilende Bauträgerverkäufer solche stimmrechtseinschränkende Vereinbarungen anfänglich festlegen und im Grundbuch zur Eintragung bringen. Ist das Motiv vielleicht eine gewisse "Furcht" vor Rechtsberatern in Eigentümerversammlungen (die ohnehin der Schweigepflicht unterliegen)? Nach nunmehr höchstrichterlich grds. festgestellter Gültigkeit solcher vertretungseinschränkender Vereinbarungen kann nun nicht einmal ein erwachsener Sohn seine Eltern als Wohnungseigentümer vertreten (und umgekehrt). Verwalter zu bevollmächtigen ist häufig nicht ratsam, da Verwalter zu einzelnen Abstimmungspunkten vom Stimmrecht ausgeschlossen sind (Entlastung, fristlose Kündigung des Verwaltervertrages usw.) und grundsätzlich hier auch Vollmachten an einen Verwalter unberücksichtigt bleiben müssen (mangels ausdrücklicher Abstimmungsweisung). Statt einen anderen Eigentümer als Vertreter erkunden zu müssen, gäbe es oft Verwandte und Bekannte, die Stimmrechte gefälligkeitshalber gerne wahrnehmen würden. Welche Geheimnisse gibt es denn noch in einer Eigentümergem...