Leitsatz
Nach wie vor ist in der Praxis umstritten, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welcher Grenze ein Kind den Stamm seines Vermögens zur Befriedigung des Unterhaltsbedarfs seiner betagten und pflegebedürftigen Eltern einzusetzen hat. Von den Sozialhilfeträgern wird Schonvermögen in völlig unterschiedlichen Höhen und häufig ohne jeden Bezug zum Einzelfall pauschaliert akzeptiert. Altersversorgungsrücklagen werden vielfach nur dann dem Schonvermögen des Unterhaltsschuldners zugerechnet, wenn sie in den klassischen Altersversorgungsvermögensformen angelegt sind.
Sachverhalt
Der Kläger begehrte von dem Beklagten Elternunterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit vom 1.12.2001 bis zum 30.6.2002 i.H.v. insgesamt 4.680,80 EUR nebst Zinsen.
Die am 13.4.1922 geborene Mutter des Beklagten war in einem privaten Pflege- und Seniorenheim untergebracht. Für die hier relevante Zeit leistete der Kläger für sie Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG, weil ihre eigenen Einkünfte aus Altersrente, Witwenrente und Pflegeversicherung ihren Bedarf nicht in vollem Umfang deckten.
Nach Eingang des Sozialhilfeantrags der Mutter teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass der Unterhaltsanspruch seiner Mutter im Umfang der bewilligten Sozialhilfe auf den Kläger übergehe und forderte ihn zugleich zur Auskunft über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auf. Mit Schreiben vom 11.1.2002 teilte der Kläger dem Beklagten die rückwirkende Bewilligung der Sozialhilfe für seine Mutter mit und wies erneut auf den gesetzlichen Übergang des Unterhaltsanspruchs gegen ihn hin.
Der Beklagte erzielte während des hier relevanten Zeitraums ein monatliches Einkommen von 2.602,33 DM. Nach der Insolvenz seines Arbeitgebers war er seit November 2002 bei der von dem früheren Geschäftsführer betriebenen Nachfolgegesellschaft beschäftigt und erzielte monatlich 1.337,73 EUR. Als Fahrtkostenersatz erhielt der Beklagte jährlich 6.306,30 DM. Die einfache Strecke zu seinem Arbeitsplatz beträgt 39 km. Außerdem erzielte der Beklagte jährlich Kapitalerträge i.H.v. 1.313,00 DM.
Die Parteien waren sich darüber einig, dass der Beklagte auf der Grundlage seines monatlichen Einkommens nicht für den Elternunterhalt leistungsfähig ist. Freiwillig zahlte er an den Träger des Heims Beträge in Höhe des Taschengeldes für seine Mutter.
Außerdem verfügte der Beklagte über Vermögen i.H.v. insgesamt ca. 113.400,00 EUR. Der Beklagte ist im Jahre 1955 geboren, ledig, kinderlos und wohnt zur Miete.
Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision des Klägers.
Das Rechtsmittel war nicht erfolgreich.
Entscheidung
Der BGH verwies zunächst auf seine Rechtsprechung, wonach ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einzusetzen habe. Unterhaltspflichtig sei aber nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande sei, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Hierzu außer Stande sei jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfüge (BGH v. 5.11.1997 - XII ZR 20/96, MDR 1998, 225 = FamRZ 1998, 367).
Da der Elternunterhalt schwach ausgestaltet sei, wirke sich das auch auf das Schonvermögen des Verpflichteten und damit seiner Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstammes, insbesondere seine Altersvorsorgevermögensrücklagen aus. Die eigene angemessene Altersvorsorge gehe dem Unterhaltsbedarf der Eltern grundsätzlich vor. Dem Unterhaltspflichtigen müsse deshalb die Möglichkeit bleiben, geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er nicht seinerseits im Alter auf Unterhaltsansprüche oder staatliche Förderung angewiesen sei. Deshalb habe der Senat auch die der zusätzlichen Altersversorgung dienenden Aufwendungen bis zu 5 % des Bruttoeinkommens als abzugsfähig anerkannt (BGH, Urt. v. 14.1.2004 - XII ZR 149/01, BGHReport 2004, 881 = MDR 2004, 754 = FamRZ 2004, 792 f.)
Für die Bemessung des Altersschonvermögens stellt der BGH sodann auf die bis zum Einsatz der Unterhaltsverpflichtung zurückgelegten Berufsjahre des Pflichtigen ab und erachtet einen Betrag von 5 % seines letzten Bruttoeinkommens mit einem Zinssatz von 4 % als kontinuierlich angelegt. In dem zu entscheidenden Fall gelangte der BGH auf diese Weise zu einem Altersvorsorgeschonvermögen von über 100.000,00 EUR.
Es sei allein Sache des Unterhaltspflichtigen, wie er dieses Schonvermögen anlege und in welcher Weise er Vorsorge für sein Alter treffe. Der Abschluss von Lebensversicherungen sei nicht die einzige Alternative zu einer privaten Altersversorgung. Vielmehr müssten grundsätzlich auch sonstige vermögensbildende Investitionen angemessener Art der Altersversorgung gebilligt werden, soweit sie geeignet erschienen, diesen Zweck zu erreichen. Da der Erwerb etwa von Wertpapieren oder Fondsbeteiligungen wegen der damit verbundenen Risiken unter Umständen nicht immer dem Sicherheitsbedürfnis entspreche, könne i...