Leitsatz

Auch einem 500 km entfernt wohnenden Eigentümer ist es grundsätzlich zumutbar, einmal pro Jahr zu den Versammlungen anzureisen und am Vortag der Versammlung Einsicht in die Unterlagen am Sitz der Verwaltung zu nehmen und die Unterlagen dort zu kopieren. Dies gilt zumindest dann, wenn die Verwaltung ihren Sitz in der Nähe der Wohnungseigentumsanlage hat und die Unterlagen nicht für die Versammlung benötigt werden. Eine Schwerbehinderung zu 80 % stellt allein keinen hinreichenden Grund dar, dass der Eigentümer nicht den Sitz der Verwaltung zur Einsichtnahme aufsuchen muss. Vielmehr muss dargelegt werden, dass er hierdurch nicht reisefähig ist.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4

 

Das Problem

Die Eheleute K und K 1 verlangen von Verwalter B die Übersendung von Belegkopien betreffend das Abrechnungsjahr 2013 (die Wohnungseigentumsanlage liegt auf Sylt). Das Amtsgericht weist die Klage ab. Ein Anspruch auf Anfertigung und Übersendung von Kopien der Verwaltungsunterlagen bestehe auch gegen Kostenerstattung nicht. B sei lediglich dazu verpflichtet, den Eheleuten in seinen Geschäftsräumen Einsicht in die Unterlagen zu gewähren und ihm dort die Fertigung von Kopien zu gestatten. Erfüllungsort sei der Sitz der Verwaltung. Eine ausnahmsweise nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung des B, die begehrten Unterlagen selbst zu kopieren und zu übersenden, bestehe nicht. Der von den Eheleuten vorgetragene Umstand, sie hielten sich nur gelegentlich auf der Insel auf, rechtfertige ein solches Verlangen nicht. Auch die körperlichen Behinderungen des Ehemanns (80 %) führten zu keinem anderen Ergebnis, da nicht ersichtlich sei, warum nicht die Ehefrau Einsicht genommen habe. Mit ihrer Berufung wenden sich die Kläger gegen die erstinstanzliche Entscheidung.

 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg. Ein Anspruch auf Übersendung von Kopien gemäß §§ 259 Abs. 1, 675, 666 BGB in Verbindung mit dem Verwaltervertrag als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) bestehe nicht. Das Recht des Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen sei grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Verwalters auszuüben. Dies folge aus § 269 Abs. 1 und 2 BGB, wonach der Leistungsort im Zweifel am (gewerblichen) Sitz des Schuldners liege.
  2. Der Bundesgerichtshof habe zwar die Frage offen gelassen, ob bei großer Entfernung zwischen dem Sitz des Verwalters und der Wohnungseigentumsanlage Zumutbarkeitsgesichtspunkte aufseiten des Wohnungseigentümers es erfordern, ihm die Einsichtnahme an dem Ort der Anlage zu gewähren. Allerdings betone er, dass sich eine Pflicht zur Übersendung von Ablichtungen bestimmter Unterlagen aus dem Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers ergeben könne (Hinweis auf BGH v. 11.2.2011, V ZR 66/10, Rn. 11), aber nur dann, wenn Treu und Glauben es gebieten. Ob das der Fall sei, solle sich aus der Sicht des Wohnungseigentümers beurteilen; eine Versendungspflicht des Verwalters solle bestehen, wenn anderenfalls der einzelne Wohnungseigentümer die ihm zustehenden Informationen nicht rechtzeitig erlangen könne. Auch die räumliche Entfernung des Berechtigten vom Ort der möglichen Einsichtnahme und die Zumutbarkeit einer Anreise seien zu berücksichtigen, ebenso wie die Anzahl der geforderten Belege sowie der mit dem Kopieren verbundene Zeitaufwand.
  3. Nach Auffassung der Kammer sei es den Klägern grundsätzlich zumutbar, einmal pro Jahr zu den Versammlungen nach Sylt anzureisen. Hier könnten sie am Vortag der Versammlung Einsicht in die Unterlagen am Sitz der von der Anlage nicht weit belegenen Verwaltung nehmen und die speziellen Unterlagen dort kopieren. Zumindest die Klägerin wäre hierzu ohne Weiteres in der Lage. Aber selbst für den Kläger sei nicht hinreichend vorgetragen, warum dieser nicht zur Versammlung nach Sylt anreisen könne. Die Schwerbehinderung zu 80 % stelle allein keinen hinreichenden Grund dar.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Ein Wohnungseigentümer kann jederzeit persönlich oder durch einen Dritten in die Verwaltungsunterlagen Einsicht nehmen. Bedarf er bei der Einsichtnahme einer Unterstützung, kann er eine fachkundige Person zur Einsichtnahme mitbringen. Das Einsichtsrecht unterliegt keinen Voraussetzungen. Der Einsichtnehmende muss weder ein besonderes rechtliches Interesse geltend machen noch bedarf er einer Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer. Das Einsichtsrecht kann jederzeit wahrgenommen werden, auch wenn es der Kontrolle einer bereits genehmigten Abrechnung oder einem Verwalter dient, dem eine Entlastung erteilt wurde.
  2. Nach Treu und Glauben und unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten kann ein Wohnungseigentümer ausnahmsweise eine Einsichtnahme außerhalb der Geschäftsräume verlangen. Dieses ist der Fall, wenn er weit entfernt von den Geschäftsräumen des Verwalters wohnt und ihm für eine bloße Einsichtnahme eine Anreise unzumutbar wäre, wenn es um die Vorbereitung für die Versammlung geht und nicht mehr genügend Zeit besteht, den Verwalter aufzusuchen, wenn er so erkrankt ist, dass ein Aufsuchen des Verwalters unzumutbar wäre...

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