Zusammenfassung
Auch nach seinem Ausscheiden darf die Geschäftsführung einem GmbH-Gesellschafter die Einsichtnahme in die Bücher der Gesellschaft verweigern, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass er die gewonnenen Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird.
Hintergrund
Der Kläger, vormals Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH, war durch Beschluss der übrigen Gesellschafter wirksam aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Die Gesellschaft ermittelte sein Abfindungsguthaben auf der Grundlage festgestellter Jahresabschlüsse. Der Kläger gab sich mit dieser Bewertungsgrundlage nicht zufrieden und verlangte zur Überprüfung der Bewertung umfangreiche Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft, unter anderem in Buchführungskonten, Lohnunterlagen, Warenein- und -ausgangsverzeichnisse und die Jahresinventur.
Die beklagte Gesellschaft verweigerte die Einsichtnahme, unter anderem weil der Kläger zwischenzeitlich als Geschäftsführer eines direkten Konkurrenzunternehmens tätig war.
Das in erster Instanz zuständige LG Dessau-Roßlau verurteilte die Gesellschaft dazu, dem Kläger zu gestatten, in die begehrten Unterlagen Einsicht zu nehmen und sich Kopien anzufertigen um seinen Abfindungsanspruch überprüfen zu können. Vorliegend gebe es Anhaltspunkte, dass die Berechnung des Abfindungsguthabens fehlerhaft sei. Der Kläger habe daher ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die Gesellschaftsbücher.
OLG Naumburg, Urteil v. 12.12.2013, 9 U 58/13 (Hs)
Auf die Berufung der beklagten Gesellschaft hat das OLG Naumburg die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters sei ausgeschlossen.
Das OLG Naumburg begründet seine Entscheidung mit einer entsprechenden Anwendung der Schranken des GmbH-rechtlichen Auskunfts- und Einsichtsanspruchs gem. § 51 GmbHG. Nach dessen Absatz 2 können die Geschäftsführer die Auskunft und Einsicht an einen Mitgesellschafter verweigern, wenn die Befürchtung besteht, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch die Gesellschaft oder einen verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird.
Zwar sei hier der Kläger zwar nicht als Mitgesellschafter GmbH-rechtlich einsichtsberechtigt und daher § 51a GmbHG nicht direkt anwendbar. Vielmehr stehe dem Kläger als ausgeschiedenem Gesellschafter nur noch das allgemeine bürgerlich-rechtliches Einsichtsrecht nach § 810 BGB zur Überprüfung seiner Abfindung zu. Dieses bürgerlich-rechtliche Einsichtsrecht könne aber nicht weitergehend sein, als die speziellen gesellschaftsrechtlichen Einsichtsrechte während der bestehenden Gesellschafterstellung. Liegt infolge einer direkten Konkurrenzsituation die begründete Gefahr einer gesellschaftswidrigen Verwendung der erlangten Informationen vor, so könne nach den Grundsätzen von Treu und Glauben in entsprechender Anwendung von § 51a Abs. 2 GmbHG die Einsicht in Gesellschaftsunterlagen verweigert werden.
Nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters, insbesondere aber nach dessen unfreiwilliger Ausschließung, sind Streitigkeiten über die Höhe des Abfindungsguthabens an der Tagesordnung. Sind hierfür Informationen über die Gesellschaft nötig, kann der ausgeschlossene Gesellschafter schnell vor verschlossenen Türen stehen.
Bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages sollte daher ein besonderes Augenmerk auf eine adäquate Abfindungsregelung gelegt werden. Standardklauseln sollten vermieden und vielmehr die spezifische Anpassung auf die jeweilige Situation versucht werden. In der Praxis findet sich daher zu Recht eine Vielzahl verschiedener Gestaltungen, mit denen versucht wird, den unterschiedlichen Gegebenheiten und Interessen gerecht zu werden. Einfache und klare Regelung über die Berechnung, die ggf. auch die zulässige Reduzierung der Abfindung nicht maximal ausreizen, können helfen, Streitigkeiten über die Abfindungsberechnung zu vermeiden. Möglich ist hierbei auch, eher Verfahrensregelungen (z.B. Ermittlung durch einen allseits anerkannten Sachverständigen; die Festlegung eines bestimmten Verfahrens) zu vereinbaren als einen bestimmten Wert zu fixieren. Es ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsprechung strenge Anforderungen an eine Begrenzung der Abfindung stellt und eine Abfindung von weniger als 50 % des Verkehrswertes regelmäßig unwirksam sein wird. Darüber hinaus sind bei der Gestaltung der Abfindungsklausel steuerliche Folgen zu bedenken, denn Abfindungen unter dem Verkehrswert führen zu einem schenkungsteuerpflichtigen Vermögenszuwachs bei den verbleibenden Gesellschaftern (§ 7 Abs. 7 ErbStG).