Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Einsichtsrecht der Eigentümer in Abrechnungsbelege kann nicht unter Hinweis auf tatsächliche Schwierigkeiten ("Überforderung") durch den Verwalter verweigert werden
Aus dem Einsichtsrecht folgt auch ein Anspruch auf Aushändigung von Fotokopien (gegen Kostenerstattung an den Verwalter)
Ungültiger Beschluss, in Abrechnungen bei "wichtigen" Ausgabenpositionen sog. Rechnungsabgrenzungen vorzunehmen; gefordert ist allein "einfache Abrechnung" der Ein- und Auszahlungen im Wirtschaftsjahr (h.R.M.)
Bestands- und Erfolgsrechnung im Sinne des HGB setzt Vereinbarung voraus
Normenkette
§ 21 WEG, § 28 Abs. 3 WEG, § 226 BGB, § 242 BGB, § 259 Abs. 1 BGB
Kommentar
1. Ein Verwalter ist verpflichtet, jedem einzelnen Eigentümer Einsicht in die der Jahresabrechnung zugrunde liegenden Belege zu gewähren (h.M.). Die Einsichtnahme dient auch der Überprüfung der Verwaltertätigkeit; daher steht ihr weder ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluss über die Abrechnung, noch ein solcher über die Entlastung des Verwalters entgegen. Ein besonderes berechtigtes Interesse an der Einsicht muss der Eigentümer dem Verwalter gegenüber nicht darlegen (ebenfalls h.M.).
2. Im Rahmen der Einsichtnahme hat der Eigentümer auch Anspruch auf Fertigung und Aushändigung von Fotokopien, da es ihm in der Regel nicht zugemutet werden kann, handschriftlich Abschriften zu fertigen (vgl. auch OLG Hamm, WE 98, 496/497). Die Kosten der Ablichtungen sind dem Verwalter zu erstatten; hierzu hatte sich der Antragsteller im vorliegenden Fall bereit erklärt.
3. Dem Einsichtsrecht kann auch in großer Wohnanlage nicht mit dem Argument einer "Überforderung"verwalterseits widersprochen werden. Begrenzt wird das Recht des einzelnen Eigentümers nur durch den Grundsatz von Treu und Glauben ( § 242 BGB) und das Schikaneverbot ( § 226 BGB).
4. Vorliegend wurde u.a. beschlossen, dass "Abrechnungen in wichtigen Ausgabepositionen (z.B. Wasser/Kanal/Strom/Hausmeister/Heizung) unabhängig von der Rechnungstellung sachenrechtlich abgegrenzt und im Wirtschaftsjahr erbrachte Leistungen auch diesem soweit möglich zugeordnet werden, besonders um korrekte Mietabrechnungen zu ermöglichen ..." Dieser angefochtene Eigentümerbeschluss verstößt gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, auf die jeder Eigentümer Anspruch hat ( § 21 Abs. 4 WEG).
Die Jahresabrechnung, die der Verwalter gem. § 28 Abs. 3 WEG nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres zu erstellen hat, ist auf der Grundlage der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben, also der Einzahlungen und Auszahlungen in einem Wirtschaftsjahr aufzustellen; eine solche einfache Abrechnung entspricht am ehesten der gesetzlichen Regelung, wie sie in § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 WEG, § 675 BGB, § 666 BGB, § 259 BGB zu finden ist. Diese Art der Abrechnung ist für die Gemeinschaft der Eigentümer am besten geeignet, denn sie wird den unverzichtbaren Anforderungen an Übersichtlichkeit und Verständlichkeit gerecht (h.M.). Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Jahresabrechnung nur tatsächliche Einnahmen und Ausgaben eines Wirtschaftsjahres enthalten darf, werden bei der Instandhaltungsrücklage (BayObLG, NJW-RR 91, 15/16) und im Hinblick auf die Heizkostenverordnung bei der Abrechnung der Heizkosten (BayObLG, WE 92, 175/176) zugelassen. Eine periodengerechte Zuordnung weiterer "wichtiger Ausgabenpositionen", insbesondere der hier im Eigentümerbeschluss genannten Ausgaben für Wasser und Abwasser, Strom und Hausmeister, kommt nicht in Betracht (vgl. BayObLG, ZMR 98, 792/793 zu Versicherungsprämien). Davon abgesehen entspricht es nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, dass es dem Verwalter überlassen bleiben soll, nach seinem Dafürhalten bei "wichtigen" Ausgabenpositionen Abgrenzungen vorzunehmen.
Mit der in Teilen der Literatur vertretenen Meinung, die reine Einnahmen-/Ausgabenrechnung entspreche nicht den Interessen insbesondere der vermietenden Wohnungseigentümer, auf die sich auch hier die Antragsgegner berufen, hat sich der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 23. 4. 1993 auseinandergesetzt (BayObLGZ 1993, 185/189); an dortigen Ausführungen wird festgehalten. Auch das KG, auf dessen Rechtsprechung sich die Antragsgegner außerdem berufen wollen, hält an dem Grundsatz fest, dass die nach § 28 Abs. 3 WEG aufzustellende Abrechnung eine solche tatsächlicher Einnahmen und Ausgaben darstellt; es hat nur in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen (vgl. KG, NJW-RR 94, 1105/1106). Somit war auch keine Vorlagepflicht des Streits zum BGH gegeben.
Wünschen Eigentümer eine Jahresabrechnung, die durch die Berücksichtigung offener Forderungen und Verbindlichkeiten, die Vornahme von Rechnungsabgrenzungen und die Angabe eines Vermögensstatus einer Bestands- und Erfolgsrechnung im Sinne des Handelsgesetzbuches entspricht, können sie dies gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 WEG vereinbaren; ein Mehrheitsbeschluss genügt dafür allerdings nicht (h.M., vgl. auch OLG Zweibrücken, NZM 99, 276).
5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Beschwerde- und...