Die Zulässigkeit des Einspruchs ist davon abhängig, dass der Einspruchsführer eine Beschwer geltend macht. Dies setzt voraus, dass er vom Regelungsinhalt des ergangenen oder erstrebten Bescheids persönlich und sachlich betroffen ist. Eine fehlende Begründung des Einspruchs oder mangelnde Erfolgsaussichten haben auf die Frage der Beschwer keinen Einfluss. Ob wirklich eine Rechtsverletzung vorliegt, ergibt sich erst bei der sachlichen Prüfung im Laufe des Verfahrens und ist eine Frage der Begründetheit.
Persönlich beschwert ist grundsätzlich nur der materielle Adressat eines Steuerverwaltungsakts, da er selbst unmittelbar betroffen ist. In bestimmten Fällen können ausnahmsweise auch Dritte persönlich beschwert sein.
Rechtsschutz des Erben
Dem Erblasser wird am 1.8.00 ein Einkommensteuerbescheid bekannt gegeben. 2 Wochen später verstirbt er und wird von seinem Sohn beerbt. Dieser kann den Bescheid bis zum 1.9.00 anfechten. Als Gesamtrechtsnachfolger i. S. d. § 45 AO rückt er materiell- und verfahrensrechtlich in die Position seines Vorgängers ein.
Die persönliche Beschwer ist nach § 352 AO eingeschränkt in den Fällen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung. Diese Vorschrift wurde im Rahmen der zum 1.1.2024 erforderlich gewordenen und der durch Art. 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes v. 29.12.2023, BGBl. 2023 I Nr. 411, umgesetzten Anpassung der AO an die zivilrechtlichen Änderungen durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021 (MoPeG) neu gefasst. So ist jetzt hinsichtlich der Einspruchsbefugnis zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen zu differenzieren. Bei rechtsfähigen Personenvereinigungen ist grundsätzlich nur die Personenvereinigung selbst einspruchsbefugt. Die Regelungen der Einspruchsbefugnis des einzelnen Feststellungsbeteiligten in den Fällen der Vollbeendigung der Personenvereinigung, des Ausscheidens eines Beteiligten und Beteiligungsstreitigkeiten, Sonderwerbungskosten, Sonderbetriebsausgaben/-einnahmen blieben erhalten. Sie gelten zudem auch weiterhin bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen. Grundsätzlich einspruchsbefugt ist dort aber nur der gemeinsame Empfangsbevollmächtigte i. S. d. § 183a Abs. 1 Satz 1 AO.
Die sachliche Beschwer erfordert, dass der angefochtene Verwaltungsakt eine – mindestens formelle – Benachteiligung für den Einspruchsführer enthält. Bei Steuerbescheiden ergibt sich die Beschwer grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen. Daher belastet eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung oder eine Steuererstattung i. H. d. einbehaltenen Lohnsteuer den Steuerpflichtigen i. d. R. nicht, es sei denn, der Nullbescheid enthält einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO. Ebenso fehlt eine Beschwer, wenn eine aus Sicht des Steuerpflichtigen zu niedrige Steuerschuld festgesetzt wird. Kann aber eine angegriffene zu niedrige Besteuerung für spätere Steuerabschnitte oder bei einer anderen Steuerart zu steuerlichen Nachteilen führen, ist eine Beschwer anzunehmen.
Eine Besonderheit gilt im Fall nicht anerkannter oder nachträglich geltend gemachter Verluste nach § 10d Abs. 2 und 4 EStG durch einen Verlustfeststellungsbescheid. Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG wirkt der ESt-Bescheid wie ein Grundlagenbescheid, mit der Folge, dass § 351 Abs. 2 AO entsprechend gilt. Ein Einspruch ist gegen den ESt-Bescheid daher auch dann erforderlich, wenn die Steuerfestsetzung bereits auf 0 EUR lautet und Verluste begehrt bzw. nachgereicht werden sollen. In Bezug auf die festgesetzte Steuer liegt zwar keine Beschwer i. S. d. § 350 AO vor, aber Satz 5 des § 10d Abs. 4 EStG eröffnet auch in einem solchen Fall die betragsmäßige Verlustübernahme in den Verlustfeststellungsbescheid.
Nur ausnahmsweise kann eine Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, und zwar dann, wenn diese für andere Verfahren bindend sind. Diese Bindungswirkung kann zu einem steuerlichen oder auch zu einem außersteuerlichen Verwaltungsakt bestehen. So kann z. B. bei zusammenveranlagten Ehegatten die fehlerhafte Zurechnung von Besteuerungsgrundlagen dann eine Beschwer begründen, wenn die Zurechnung für eine spätere Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268ff. AO bedeutsam sein kann.
Beschwer trotz Null-Steuer
Der Adressat eines Einkommensteuerbescheids ist trotz einer auf 0 EUR lautenden Steuerfestsetzung beschwert, wenn in dem Bescheid positive Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG angesetzt sind und deshalb der Antrag eines Angehörigen auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) abgelehnt wird. Die Bindung für BAföG-Leistungen erstreckt sich aber nur auf die im Steuerbescheid aufgeführten Einkünfte, nicht auf die außergewöhnlichen Belastungen.
An einer Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids fehlt es auch, wenn die Freistellung von der Rückzahlung eines BAföG-Darlehens begehrt wird.
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