1 Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer kann in der Regel eine Erhaltungsmaßnahme nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzen.

2 Normenkette

§ 44 Abs. 1, Abs. 2 WEG; §§ 935, 940 ZPO

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K stellt im Wege der einstweiligen Verfügung beim AG den Antrag, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu verpflichten, die Kellerräume der Wohnungseigentumsanlage "unverzüglich zu sanieren bzw. den Verwalter damit zu beauftragen und zu ermächtigen, entweder die Firma … mit der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen entsprechend den in dem Kostenvoranschlag vom 13.8.2020 aufgelisteten Maßnahmen auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beauftragen oder alternativ mindestens 2 Vergleichsangebote einzuholen und der Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung über die Auftragsvergabe und deren Finanzierung vorzulegen".

4 Die Entscheidung

Das AG hält den Antrag bereits für unzulässig! Die Unzulässigkeit ergebe sich schon daraus, dass damit die Hauptsache vorweggenommen werden würde; das materielle Begehren würde mit dem Erlass der begehrten Entscheidung bereits befriedigt werden. K sei daher gehalten, sein Begehren im bereits rechtshängigen Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Es sei für ihn zumutbar, auf etwaige Sekundäransprüche verwiesen zu werden. Außerdem fehle dem Begehren das Rechtsschutzbedürfnis. Ebenso wie eine Klage auf Beschlussersetzung voraussetze, dass die übrigen Eigentümer mit dem Beschlussgegenstand vorbefasst werden (Hinweis u. a. auf Elzer/Riecke in: Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 9 Rn. 73), müsse dies aufgrund des gewichtigen Eingriffs in das Selbstorganisationsrecht der Eigentümer auch für einen Antrag auf Beschlussersetzung im Wege des Eilrechtsschutzes nach den §§ 935ff. ZPO gelten. Eine Abstimmung über einen entsprechenden Beschlussantrag – dessen Aufnahme in die Tagesordnung einer Eigentümerversammlung im Eilrechtsschutz verlangt werden könne – im Rahmen einer (außerordentlichen) Eigentümerversammlung sei bislang nicht erfolgt.

Für einen Antrag auf Beschlussersetzung gebe es aber auch keinen Verfügungsgrund. K habe die Dringlichkeit ihres Begehrens selbst widerlegt. Jedenfalls seit der Durchführung einer Versammlung im Januar 2021 sei ihm bekannt, dass der Antrag, den Schimmelbefall in den Kellerräumen beseitigen zu lassen, keine Mehrheit gefunden habe. Seither sei aber ein Zeitraum von über 6 Monaten vergangen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Jeder Wohnungseigentümer hat gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach §§ 18 Abs. 1, Abs. 2, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG einen Anspruch darauf, dass das gemeinschaftliche Eigentum erhalten wird. Dieser Anspruch ist in der Regel im Wege einer Beschlussersetzungsklage zu verfolgen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 WEG erfüllt, kann ein Wohnungseigentümer m. E. auch auf Leistung klagen. Im Fall geht es um die Frage, ob man daneben eine Erhaltung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen kann.

Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung: Allgemeines

Ein AG erlässt auf Antrag eine einstweilige Verfügung, wenn der Antrag zulässig ist und wenn der Antragsteller einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund hat.

Das AG meint, der Antrag des K sei aus 2 Gründen nicht zulässig. Der eine bestehe in der Vorwegnahme der Hauptsache. Hiermit ist das Vorwegnahmeverbot gemeint: Die Verfügungsentscheidung soll die in der Hauptsache zu treffende Entscheidung nicht ersetzen, sondern inhaltlich hinter ihr zurückbleiben, und es sollen keine irreversiblen Maßnahmen angeordnet werden. Da K (auch) beantragt hatte, Vergleichsangebote einzuholen und der Versammlung zur Beschlussfassung über die Auftragsvergabe und deren Finanzierung vorzulegen, dürfte das Vorwegnahmeverbot aber nicht verletzt gewesen sein. Der andere sei das fehlende Rechtsschutzbedürfnis. K müsse vor seinem Antrag versuchen, die Wohnungseigentümer mit seinem Begehren zu befassen. Ist eine Regelung dringlich, ist auch diese Ansicht unvertretbar. Sie ist auch kein Prüfungsgegenstand des Rechtsschutzbedürfnisses, sondern des Verfügungsgrunds (eine besondere Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses).

Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung: Verfügungsgrund

Im Übrigen meint das AG, es fehle wegen einer Selbstwiderlegung an einem Verfügungsgrund (der Verfügungsanspruch lag vor, wird vom AG aber nicht problematisiert). Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt. An dieser Stelle ist tatsächlich auch für Wohnungseigentümer Eile geboten.

6 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Beschluss v. 2.8.2021, 980b C 21/21 WEG

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