1 Leitsatz
Die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit an Tiefgaragenstellplätzen können/müssen der Begründung eines Sondernutzungsrechts nicht zustimmen.
2 Normenkette
§§ 5 Abs. 4 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 2 WEG)
3 Das Problem
In der Gemeinschaftsordnung wird den jeweiligen Eigentümern der Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und Nr. 3 jeweils ein Kfz-Stellplatz-Sondernutzungsrecht zugewiesen. Nach Änderungen in der Straßenplanung liegen die Stellplätze – ohne Änderung der Gemeinschaftsordnung – indes auf einer Fläche, die der Stadt Nürnberg gehört. Im Jahr 2015 wird daher die Gemeinschaftsordnung geändert. Die Eigentümer der Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und Nr. 3 sollen jetzt Kfz-Sondernutzungsrechte auf dem gemeinschaftlichen Eigentum bekommen. Fraglich ist, ob dieser neuen Vereinbarung 2 Dienstbarkeitsberechtigte der Grundstücke X und Y zustimmen müssen, die Rechte an 2 Tiefgaragenstellplätzen auf dem gemeinschaftlichen Eigentum haben. Das Grundbuchamt meint ja. Der Notar sieht das anders, weil die Sondernutzungsrechte an ganz anderer Stelle liegen als die Dienstbarkeitsrechte.
4 Die Entscheidung
Der Notar hat Recht! Die Zustimmung ist nach Ansicht des OLG entbehrlich! Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG sei die Zustimmung des Inhabers einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder einer Reallast zwar erforderlich, wenn eine rechtliche Benachteiligung des Haftungsobjekts nicht ausgeschlossen werden könne. Die Zustimmung sei im Fall aber dennoch nicht erforderlich, da die dingliche Rechtsstellung der Dienstbarkeitsberechtigten durch die Änderung nicht berührt werde. Die Kfz-Stellplatzrechte der Eigentümer der Grundstücke X und Y stellten Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB dar. Diese gewährten den X und Y als Berechtigten keine Möglichkeit, Befriedigung aus dem Grundeigentum zu erlangen. Die Grunddienstbarkeit berechtige die Eigentümer der Grundstücke X und Y nur, die jeweils konkret bezeichneten Tiefgaragenstellplätze zu nutzen. Hinsichtlich des übrigen gemeinschaftlichen Eigentums würden die Grunddienstbarkeiten keine Rechte für die Berechtigten enthalten. Die Begründung neuer Sondernutzungsrechte an anderen, räumlich deutlich abgegrenzten, oberirdischen Kfz-Stellplätzen berühre ihre Rechtsstellung damit nicht.
Hinweis
Durch die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechtes wird der Inhalt des Sondereigentums derjenigen Wohnungseigentümer nachteilig verändert, die vom Mitgebrauch des betreffenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen sind. Denn nach § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gesamten gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Dieses Recht gehört zum Inhalt des dem Miteigentum zugeordneten Sondereigentums. Wird von den Wohnungseigentümern die Benutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Kfz-Stellplätze in der Weise geregelt, dass den Miteigentümern jeweils ein bestimmter Abstellplatz zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen wird, und soll diese Benutzungsregelung durch Grundbucheintragung zum Inhalt des Sondereigentums werden, so bedeutet diese dann dinglich wirkende Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts, die mit dem Ausschluss der bisherigen Befugnis zum Mitgebrauch durch die anderen Miteigentümern verbunden ist, eine Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums i. S. d. § 877 BGB. Ist dieses Wohnungseigentum mit Rechten Dritter belastet, so kann auch deren Position rechtlich nachteilig beeinträchtigt werden. In solchen Fällen ist in Anwendung der §§ 877, 876 BGB auch die Zustimmung der Dritten zu der Änderung erforderlich.
5 Entscheidung
OLG Nürnberg, Beschluss v. 29.9.2020, 15 W 1774/20