Leitsatz
Auf Antrag des Jugendamtes hatte das AG der Kindesmutter und deren Ehemann, hinsichtlich dessen später festgestellt wurde, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes Florian war, mit Beschluss vom 26.3.2009 die elterliche Sorge für das Kind Florian betreffend die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und das Recht, Sozialleistungen zu beantragen, im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen. Aufgrund erheblicher Missstände in dem Haushalt der Kindesmutter und ihres Ehemannes war Florian bereits eine Woche nach seiner Geburt in eine Pflegefamilie aufgenommen worden.
Im Hauptsacheverfahren hob das AG mit Beschluss vom 19.2.2010 die einstweilige Anordnung mit der Maßgabe auf, dass eine schrittweise Rückführung des Kindes Florian stattfinden sollte. Der Antrag des Jugendamtes auf Entziehung der elterlichen Sorge wurde zurückgewiesen. Die Einholung eines ergänzenden Gutachtens zu der Frage, ob das Kindeswohl Florians durch die Rückführung gefährdet würde, hat das AG abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Einholung dieses Gutachtens würde zu lange dauern und der Wechsel eines Kindes zurück in seine Herkunftsfamilie sei nicht zwangsläufig mit Bindungsstörungen und seelischen Schäden verbunden.
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Jugendamtes als Beteiligte zu 1).
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde des Jugendamtes in Bezug auf die Kindesmutter für begründet und entschied sich für die Entziehung der elterlichen Sorge für Florian.
Eine Entscheidung den Ehemann der Kindesmutter betreffend sei nicht mehr veranlasst. Mit der am 11.2.2010 eingetretenen Rechtskraft des Urteils des AG vom 22.12.2009, in dem festgestellt worden sei, dass Florian nicht das Kind des Ehemannes der Kindesmutter sei, stehe ihm die elterliche Sorge für Florian schon kraft Gesetzes nicht mehr zu.
Der Kindesmutter sei die elterliche Sorge für Florian zu entziehen, weil sein seelisches und körperliches Wohl gefährdet sei, da die Mutter nicht in der Lage sei, diese Gefahr abzuwenden und der Gefahr auch nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden könne.
Die Kindesmutter beabsichtigte für den Fall der Rückerlangung der ihr durch Beschluss des AG vom 26.3.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung entzogenen elterlichen Sorge für den Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts ihren Sohn aus der Pflegefamilie herauszunehmen und ihn erstmals in ihren Haushalt aufzunehmen.
Mit diesem Vorhaben gefährde sie das Wohl des Kindes. Dieser Gefährdung könne nur durch die Entziehung der elterlichen Sorge entgegengewirkt werden.
Bei einer Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge sei sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 des GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des GG Rechnung zu tragen. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte sei jedoch zu berücksichtigen, dass im Bereich des Art. 6 Abs. 2 des GG das Wohl des Kindes immer das entscheidende Kriterium bilde, so dass dieses bei Interessenkonflikten zwischen dem Kind und seinen Eltern letztlich bestimmend sein müsse (BVerfG E 75, 201 und BVerfG Beschl. v. 31.3.2010 - 1 BvR 2910/09).
Das Kind sei ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 des GG. Es bedürfe des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Die Erziehung und Betreuung eines minderjährigen Kindes durch Mutter und Vater innerhalb einer harmonischen Gemeinschaft gewährleiste dabei am ehesten, dass dieses Ziel erreicht werde. Dies treffe jedoch nicht immer zu und gelte insbesondere dann nicht, wenn ein Kind in einer Pflegefamilie aufwachse. In einem solchen Fall gebiete es das Kindeswohl, die neu gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner Pflegefamilie nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, inwieweit eine Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern auch ihre Eignung umfasse, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung des Kindes durch den Wechsel der Bezugspersonen möglichst gering zu halten (BVerfG FamRZ 2000, 1489). Das OLG kam zu der Überzeugung, dass es bei dem von der Kindesmutter angestrebten Wechsel Florians aus seiner Pflegefamilie in ihren Haushalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen sei, dass es zu psychischen Schädigungen Florians kommen werde. Der Senat stützte seine Überzeugung auf das mündlich erstattete Gutachten des Sachverständigen, der gerichtsbekannt über eine langjährige Erfahrung im Bereich der Psychologie und damit über die erforderliche Sachkun...