Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung damit beschäftigt, ob ein nichtehelicher Vater die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen kann und gegen eine ablehnende Entscheidung des FamG beschwerdeberechtigt ist, wenn im Vorfeld der sorgeberechtigten Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wurde.
Sachverhalt
Die Beteiligten waren die nicht miteinander verheirateten Eltern eines am 13.5.2006 geborenen Kindes. Sie hatten nur eine kurzzeitige Beziehung unterhalten. Die Mutter, die drei weitere Kinder hatte, verheimlichte ihre Schwangerschaft. Nach der Geburt setzte sie das Kind aus, indem sie in einen anderen Stadtteil fuhr und das Kind dort vor die Tür eines Wohnhauses legte. Das Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen und in eine Pflegefamilie gegeben. Der bis dahin allein sorgeberechtigten Mutter wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemäß § 1666 BGB entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen. Der Vater beantragte, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Das AG wies den Antrag zurück. Das OLG verwarf die Beschwerde des Vaters als unzulässig, weil diesem die Beschwerdeberechtigung fehle. Dabei berief es sich auf eine Entscheidung des BGH, das dem wegen § 1626a Abs. 2 BGB nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des FamG zustehe. Erforderlich sei ein Eingriff in ein zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht, über das der Vater hier nicht verfüge.
Gegen den Beschluss des OLG wandte sich der Vater mit der Rechtsbeschwerde.
Entscheidung
Das Rechtsmittel des Vaters hatte Erfolg. Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Das OLG sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren gelte und die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG gemäß § 64 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausgeschlossen sei. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des EuGHMR vom 3.12.2009 (FamRZ 2010, 103) festzuhalten sei, da im vorliegenden Fall die Besonderheit bestehe, dass die elterliche Sorge der Mutter nur noch eingeschränkt zustehe, weil ihr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ein wesentlicher Teil der Personensorge entzogen worden sei. Der Senat habe bereits auf den Unterschied zwischen einer Entscheidung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehne, zu den Fällen hingewiesen, in denen der Mutter das Sorgerecht vom FamG nach § 1666 BGB entzogen worden sei (BGH v. 26.11.2008 - XII ZB 103/08 FamRZ 2009, 220 Tz. 15).
Im Falle des Sorgerechtsentzuges habe das FamG nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 S. 2 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes diene. Diese Regelung begründe ein subjektives Recht des Vaters aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 FGG ergebe (vgl. auch BGH v. 26.9.2007 - XII ZB 229/06, FamRZ 2007, 1969).
Ein solcher Fall liege hier vor. Durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei die Mutter insoweit nicht mehr Inhaberin der Personensorge. Es stehe demnach zwar keine vollständige Sorgerechtsentziehung in Rede, sondern nur die Entziehung einer einzelnen Befugnis. Der hinter der ersatzweisen Übertragung des Sorgerechts nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 S. 2 BGB stehende gesetzgeberische Gedanke gebiete aber auch eine Anwendung auf die Entziehung von Teilbefugnissen. Dies müsse jedenfalls für das in Rede stehende Aufenthaltsbestimmungsrecht gelten, weil es sich dabei um eine der wichtigsten Sorgerechtsbefugnisse handele. Anderenfalls sei zu befürchten, dass die von § 1666 BGB nicht erfassten Befugnisse bei der für die elterliche Sorge ungeeigneten Mutter verblieben und dem Vater so der Zugang zum Sorgerecht versperrt bleibe. Dies zeige auch der vorliegende Fall. Die Mutter wäre nach der Entscheidung des OLG Köln Inhaberin der elterlichen Sorge - ausgenommen des Aufenthaltsbestimmungsrechts - geblieben, obgleich sie mit dem Kind nicht einmal habe Kontakt aufnehmen wollen und einen solchen auch nicht anstrebe.
Hinweis
Auf welche Weise der Beschwerdeführer ohne Zustimmung der Mutter nach § 1672 Abs. 1 BGB die ungeteilte elterliche Sorge erlangen kann, ergibt sich aus der Entscheidung des BGH bedauerlicherweise nicht.
Gleichwohl stärkt der BGH die Rechtsposition der nichtehelichen Väter durch Anerkennung deren Beschwerderechts wenigstens in der hier vorliegenden Konstellation.
Die Entscheidung befasst sich hauptsächlich mit der Frage der Beschwerdebefugnis des nichtehelichen Vaters. An zwei Stellen seiner Entscheidungsgründe nimmt der Senat Bezug auf das Urteil des EuGHMR vom 3.12.2009, wonach nur sehr gewichtige Gründe die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts oder einer außerehelichen Geburt rechtfertigen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 16.06.2010, XII ZB 35/10