Leitsatz
Das OLG Nürnberg hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag auf Übertragung der elterlichen Sorge besteht, wenn dem Antragsteller zuvor bereits im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge vollumfänglich übertragen worden war.
Sachverhalt
Die Beteiligten hatten am 27.12.2000 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren drei in den Jahren 2001, 2003 und 2005 geborene Kinder hervorgegangen. Die Ehe der Eltern wurde unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge geschieden. Die Kinder blieben zunächst bei der Mutter, wurden jedoch am 15.12.2009 vom Jugendamt in Obhut genommen und zum Antragsteller verbracht, nachdem die Kindesmutter die Kinder vernachlässigt hatte.
Auf Antrag des Antragstellers übertrug das AG mit Beschluss vom 28.1.2010 die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vollumfänglich auf den Antragsteller.
Mit Schriftsatz vom 27.4.2010 hat der Antragsteller ein der einstweiligen Anordnung entsprechendes Hauptsacheverfahren eingeleitet und beantragt, ihm hierfür Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Das Verfahrenskostenhilfegesuch wurde vom AG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es fehle der Hauptsacheklage das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nur das begehre, was ihm bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren zugesprochen worden sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen hat.
Entscheidung
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das OLG den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und die Sache an das AG zur erneuten Verbescheidung zurückgewiesen.
Dem Antrag des Antragstellers, ihm Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wurde nicht entsprochen.
Das OLG folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach ein Rechtsschutzbedürfnis für das Hauptsacheverfahren nicht bestehe, jedoch nicht.
Nach der seit 1. September 2009 geltenden gesetzlichen Regelung sei das einstweilige Anordnungsverfahren als eigenständiges, vom Hauptsacheverfahren abgekoppeltes Verfahren ausgestaltet. Dieser Umstand genüge jedoch nicht, um nunmehr im Sorgerechtsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren zu verneinen, wenn bereits eine dem im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag entsprechende einstweilige Anordnung vorliege.
Biete das Gesetz für eine Rechtverfolgung mehrere prozessuale Möglichkeiten, sei grundsätzlich ein Nebeneinander der Rechtsbehelfe mit einer Wahlfreiheit des Rechtssuchenden gewollt. Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses kämen dabei nur in Betracht, wenn sich die verschiedenen Verfahren nach Einfachheit, Schnelligkeit und Kostenaufwand eindeutig unterschieden, zugleich aber die Verfahrensergebnisse im Wesentlichen gleichwertig seien (BGH FamRZ 1982, 788; OLG Frankfurt NJW-RR 2008, 779). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Zumindest die Ergebnisse der beiden Verfahren seien nicht gleichwertig.
Die einstweilige Anordnung stelle auch nach der neuen Rechtslage lediglich eine vorläufige Maßnahme dar, die im Rahmen eines summarischen Verfahrens getroffen werde. Demzufolge müsse dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet bleiben, zur endgültigen Klärung der Angelegenheit ein Hauptsacheverfahren durchzuführen. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, dass nach wie vor einer einstweiligen Anordnung nicht dieselbe Bestandskraft zukomme wie einer im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidung. Auch das neue Gesetz lasse im einstweiligen Anordnungsverfahren eine erleichterte Aufhebung oder Änderung der ergangenen Entscheidung auf Antrag zu. Aufgrund des summarischen Charakters des einstweiligen Anordnungsverfahrens könne im Abänderungsverfahren vielmehr eine allumfassende Überprüfung der Erstentscheidung vorgenommen werden. Werde hingegen im Hauptsacheverfahren eine Sorgerechtsregelung nach § 1671 BGB getroffen, sei eine Abänderung nur nach § 1696 Abs. 1 BGB möglich, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei.
Der Hauptsacheentscheidung komme somit ein größeres Gewicht zu, weil diese nicht nur in einem summarischen Verfahren, sondern nach eingehender Ermittlung der materiellen Voraussetzungen getroffen werde und sie nicht beliebig nachträglich abänderbar sei.
Verfahrenskostenhilfe bei einem Antragsverfahren könne grundsätzlich erst dann bewilligt werden, wenn der Antragsgegner Gelegenheit gehabt habe, zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch Stellung zu nehmen. Derzeit könne daher über den Verfahrenskostenhilfeantrag noch nicht entschieden werden. Es sei daher sachdienlich, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verbescheidung an das AG zurückzuverweisen.
Link zur Entscheidung
OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.06.2010, 7 WF 686/10